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Sünde / Sünder (AT)

(erstellt: August 2017)

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1. Die Begriffe im Deutschen

1.1. Sünde

Das deutsche Wort Sünde bezeichnet im allgemeinsten Sinne eine Verfehlung gegen eine anerkannte Verhaltensnorm. Im Kern ist der Begriff aber religiös geprägt: Es geht um einen Verstoß gegen göttliche Normen oder Absichten. Auch die umgangssprachliche Rede von Verkehrs-, Umwelt- oder Diätsünden bleibt in ihrer Dramatisierung oder Ironisierung darauf zurückbezogen. Das christlich-theologische Sündenverständnis als Quelle des neuzeitlichen Sündenbegriffs knüpft an das Alte, aber mehr noch an das Neue Testament an (vgl. Bieberstein / Bormann, 570).

1.2. Schuld

Für den Begriff Schuld spielt demgegenüber der Gottesbezug keine konstitutive Rolle. Schuld setzt neben den zwei Parteien eines Konfliktfalls (Schuldige und Geschädigte) eine Instanz voraus, die eine Tat als Fehlverhalten qualifiziert und anhand einer Norm die Schuld bemisst (vgl. Hock, 1870). Diese Norm kann theologisch, ethisch oder juristisch definiert sein.

Der Begriff ist im Deutschen mehrdeutig: Wer von „Schuld“ spricht, meint entweder das Geschuldete (obligatio / debitum), also eine rechtliche oder ethische Verpflichtung (in finanzieller Hinsicht differenzieren wir, s.u.) oder die Verschuldung (culpa), also die juristisch, aber auch völkerrechtlich oder theologisch zurechenbare Verursachung eines Schadens (vgl. Fischer, 43; Honecker, 218; Niemann, 105).

Zu beachten ist die semantische und auch begriffliche Nähe zum finanztechnischen Terminus „Schulden“. Zwar unterscheidet das Deutsche zwischen den Nomina „Schuld“ (moralisch, juristisch) und „Schulden“ (finanziell). Beim Verb „schulden“ gibt es jedoch Überschneidungen: Man kann jemandem nicht nur Geld, sondern auch Respekt, Dank, eine Erklärung oder auch sein Leben schulden.

Schuld ist in allen ihren Spielarten die Haftung für einen nicht erfüllten berechtigten Anspruch. Während die Bezeichnung „Sünde“ eine Tat bewertet, geht es bei „Schuld“ um die Handlungsfolgen und das Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Sünde ist im theologischen Sinne Schuld, insofern sie von Gott als Schuld zugerechnet wird und er sie einfordert (vgl. Krötke, 1868; Metzner, 1879).

1.3. Böses

Ohne zwingenden theologischen Bezug kommt auch die Beurteilung als „böse“ aus. Sie ist in der Gegenwartssprache die wohl radikalste Disqualifizierung, zugleich die am wenigsten greifbare, weil „gut“ und „böse“ immer subjektiv bestimmt werden. Die einzige allgemeingültige Definition, die dem Gesamtphänomen des Bösen – als malum physicum und malum morale – gerecht wird, ist sein „Kontrastbezug“ (Dalferth, 236) zum Guten: Böse ist das, was das Gute schädigt, behindert, stört und zerstört.

2. Der Sprachgebrauch der Hebräischen Bibel

2.1. Wortfeld und Konzept „Sünde“

Der theologische Begriff „Sünde“ ist zwar durch biblische Ideen maßgeblich geprägt, steht aber nicht für eine konkrete Vokabel des Urtextes, sondern für ein Konzept. Dieses Konzept spiegelt sich in verschiedensten alt- und neutestamentlichen Ausdrücken, die ein menschliches Tun oder Verhalten als Widerspruch gegen Gottes Willen qualifizieren bzw. disqualifizieren. Das hermeneutische Problem besteht darin, dass einzelne griechische und hebräische Vokabeln aus dem Wortfeld des Konzepts „Sünde“ traditionell mit dem Wort „Sünde“ übersetzt werden, in einem Zirkelschluss also mit einem Wort, das aus einem biblischen Konzept abgeleitet ist, genau dieses Konzept beschrieben wird. Das mag für das Neue Testament noch angehen: Der bei weitem häufigste Sündenbegriff, ἁμαρτία hamartía (s.u. 2.6.), kommt unserem theologischen Sündenbegriff sehr nahe. Anders im Alten Testament: die verschiedenen hebräischen Lexeme im Wortfeld „Sünde“ stehen durchaus ebenbürtig nebeneinander. Keins von ihnen ist ausschließlich theologisch definiert. Und sie unterscheiden sich wesentlich von unserem moralischen, auf den Täter fokussierten Sündenbegriff.

In der Hebräischen Bibel finden sich mehr als 50 Wörter, die ein menschliches Verhalten negativ qualifizieren und damit im weitesten Sinne als Sündenvokabeln gelten können (vgl. Cover, 31; Boda 2009, 6; zum Wortfeld: Quell, 268f; Knierim 1997, 79-82; Knierim 2001, 365-368). Das Wortfeld lässt sich jedoch weiter eingrenzen, wenn man nur diejenigen Lexeme in den Blick nimmt, die keinen konkreten Tatbestand wie „morden“, „Gewalt ausüben“, „ehebrechen“ etc. beschreiben, sondern als formale Oberbegriffe dienen für Verhaltensweisen, die Gottes Willen widersprechen.

Die häufigsten und wichtigsten „Qualifikationsbegriffe“ (von Soosten, 102) dieser Art sind die Ableitungen der Wurzeln חטא ḥṭʼ, רשׁע rš‘, עוה ‘wh und פשׁע pš‘. Diese Hauptbegriffe, deren Semantik sich vielfach überschneidet, erscheinen an verschiedenen Stellen summarisch nebeneinander und umschreiben dann die Gesamtheit denkbarer Sünden (z.B. Ex 34,7; Lev 16,21; Jer 14,20; Mi 7,18f; vgl. Knierim 1965, 229-234; Kaiser, 352-356; Krašovec, 339-372). Wo die Vokabeln einzeln für sich stehen, können sie aber auch ihren spezifischen Beitrag zum alttestamentlichen Sündenverständnis leisten (s.u. 2.2.1.-2.2.4).

In ähnlicher Funktion wie die Hauptbegriffe und zum Teil synonym verwendet werden weitere Vokabeln, die ein Verhalten als verfehlt klassifizieren (s.u. 2.2.5.).

Daneben tritt die Beurteilung als „schlecht“ oder „böse“ (Wurzel רעע r‘‘): Dort, wo Gott ein Tun als „böse“ oder „schlecht“ im Sinne von „schädigend“ beurteilt, ist der Tatbestand von „Sünde“ erfüllt (s.u. 2.4.).

Eng mit dem Konzept „Sünde“ verbunden, aber in der Hebräischen Bibel doch in spezifischer Weise von ihr unterschieden, ist die Rede von „Schuld“ (s.u. 2.3.).

Außerdem hat das priesterliche Kultsystem eigene Begriffe für ein ordnungswidriges Tun und Lassen entwickelt. Die priesterlichen Kategorien „Unreinheit“ und „Abscheulichkeit“ bilden aussagekräftige Schnittmengen mit dem Konzept „Sünde“ (s.u. 2.5.).

2.2. Begriffe für Sünde

2.2.1. חטא ḥṭʼ „fehlgehen / sich verfehlen“

Sünde 01
2.2.1.1. Derivate der Wurzel: Die Wurzel חטא ḥṭʼ erscheint als Verb und in verschiedenen Nomina im Alten Testament über 700-mal.

Verb. Eine Verbform ist 237-mal belegt: 181-mal im Qal („ein Ziel verfehlen / sich verfehlen / sündigen“); 15-mal im Pi. (in Gen 31,39 ästimativ-deklarativ: „etwas als Verfehlung anerkennen“, sonst privativ zu חַטָּא ḥaṭṭāʼ: „entsündigen“ oder resultativ-produktiv zu חַטָּאת ḥaṭṭāʼt: „Entsündigungsopfer darbringen“ [vgl. Knierim 1971a, 541; Hieke, 88; Koch 1977, 864; von Soosten, 107] oder faktitiv-ästimativ: „im Kult als Sünde darstellen und dadurch beheben“ [vgl. Willi-Plein, 98f; Bender]), 32-mal im Hif. („zur Sünde / Verfehlung veranlassen“), 9-mal im Hitp. (reflexiv zum Pi.: „sich entsündigen“), außerdem einmal im aramäischen Pael („Sündopfer darbringen“).

Nomen. Als Nomen belegt sind 33-mal חֵטְא ḥeṭʼ für den Tatbestand „Verfehlung / Sünde“, 293-mal חַטָּאת ḥaṭṭāʼt für den Zustand, der durch die Verfehlung hervorgerufen wurde: „Verfehlung / Sünde / Schuld“, und gleichzeitig für seine Behebung: 111-mal (inklusive Mi 6,7) im technischen Sinn von „Entsündigungsritus“ (s.u. 2.2.1.4.). Dazu kommen die Nebenformen חֶטְאָה ḥæṭʼāh (1-mal), חַטָּאָה ḥaṭṭāʼāh (2-mal), חֲטָאָה ḥǎṭāʼāh (8-mal, davon einmal im Sinne von „Verfehlungsritus“), einmal aramäisch חֲטָי ḥǎṭāj, alle „Verfehlung / Sünde / Schuld“, außerdem 19-mal חַטָּא ḥaṭṭāʼ „verfehlt / sündig“ bzw. „Sünder“.

2.2.1.2. Grundbedeutung: Trotz ihres meist religiösen Gebrauchs lässt sich hinter der Wurzel חטא ḥṭʼ noch die profane Grundbedeutung „ein Ziel verfehlen“ erkennen (Ri 20,16; Hi 5,24; Spr 8,36; Spr 19,2; Jes 65,20; vgl. Quell, 271; Knierim 1965, 56f; Knierim 1971a, 541-543; Milgrom 1991, 229). Sie bleibt auch in theologischem Kontext nicht ohne Einfluss auf die Semantik, wie die → Septuaginta zu Ps 25,8 (dazu Quell, 271), das Verb in Pred 2,26; Pred 7,20.26; Pred 9,18 im Sinne von „irregehen“ und die Überschneidungen im semantischen Feld mit שׁגג šgg „irren“ in Lev 4f (vgl. Kiuchi 2003, 5-15; Hieke, 89) zeigen.

Koch 1977, 859f, erwägt, ob umgekehrt im seltenen profanen Sprachgebrauch der übertragene Sinn zu erkennen sei wie etwa beim deutschen „Verkehrssünder“. Aber semitische Parallelen mit ähnlicher Grundbedeutung (vgl. Knierim 1971a, 541; Koch 1977, 858f) sprechen dagegen (vgl. Cover, 32).

2.2.1.3. חטא ḥṭʼ als Sündenbegriff: Im weit überwiegenden übertragenen Sinn meint חטא ḥṭʼ im Qal dann eine Verfehlung an Menschen oder an Gott.

חטא ḥṭʼ Qal + לְ bedeutet „sich verfehlen gegen jemanden“ oder „sich vergehen an jemandem“; so in Bezug auf zwischenmenschliche Konfrontation in Gen 20,9; Gen 40,1; Ex 5,16; Ri 11,27 u.ö. (seltener mit בְּ : Gen 42,22; 1Sam 19,4f). Es kann dann auch resultativ verstanden werden: „(sich an jemandem verfehlt haben und deshalb) in jemandes Schuld stehen“ (Gen 43,9; Gen 44,32). Wo das Verb absolut gebraucht wird („sich verfehlen“), ist das Objekt der Verfehlung in der Regel mitgedacht (Dtn 19,15; 2Sam 19,21; 1Kön 18,9; 2Kön 18,14).

Auch in religiösem Kontext ist das Verb oft mit indirektem Objekt konstruiert: „sich an (לְ ) Gott verfehlen / versündigen“ (z.B. Gen 13,13; 1Sam 2,25), so besonders im Sündenbekenntnis (in der Wir-Form: Dtn 1,41; Ri 10,10; Dan 9,8.11; Neh 1,6 u.ö.; in der Ich-Form: Ex 10,16; Ps 51,6 u.ö.). Aber auch der absolute Gebrauch ist im Bekenntnis nicht unüblich: „wir haben gesündigt“ (Num 12,11; Ps 106,6 u.ö.) bzw. „ich habe gesündigt“ (Ex 9,27; 1Sam 15,24.30 u.ö.). Dass Gott das von der Verfehlung betroffene Gegenüber ist, versteht sich hier von selbst.

חטא ḥṭʼ steht also für die Verfehlung eines Gemeinschaftsverhältnisses, sei es zu anderen Menschen oder zu JHWH. Kriterium für die Beurteilung als חטא ḥṭʼ ist demnach nicht in erster Linie, ob bestimmte Gebote eingehalten oder übertreten werden, sondern ob Gemeinschaft bewahrt oder gestört wird. Eine solche Störung kann natürlich auch durch die Verletzung gemeinschaftlicher Normen eintreten (vgl. Knierim 1971a, 545; Koch 1977, 860).

Wie unser Wort „Sünde“ ist חטא ḥṭʼ ein Formalbegriff, der inhaltlich ganz verschieden gefüllt wird. Er „nennt nicht die böse Tat, sondern qualifiziert sie“ (Knierim 1965, 59). Anders als „Sünde“ im Deutschen meint חטא ḥṭʼ aber nicht nur die willentliche, ethisch verwerfliche Tat, sondern „alles, was (in irgendeiner Weise und aus irgendeinem Grund) von Gott trennt“ (Hieke, 89). Die Qualifizierung bzw. Disqualifizierung als חטא ḥṭʼ „umgreift unterschiedslos sowohl rechtliche als auch ethisch-soziale und kultische Verfehlungen“ (Knierim 1965, 61). Auch unabsichtliche oder zunächst unbewusste Vergehen gelten als חטא ḥṭʼ (Lev 4f). Natürliche Gegebenheiten wie die Geburt eines Kindes (Lev 12,6.8), Krankheit (Lev 14,19.22.31) und Schimmelbefall an Häusern (Lev 14,49.52) werden als chaotische Störungen der Lebensordnung angesehen, die eines ḥaṭṭāt-Ritus bedürfen (s.u. 2.2.1.4.; zu den priesterlichen Konzepten von Reinheit und Heiligkeit s.u. 2.5.). Die „Verfehlung“, die חטא ḥṭʼ ausdrückt, besteht also nicht in einer moralischen Fehlleistung des Täters, sondern in der faktischen Verfehlung des Zieles, in einer „Störung des heilvollen Kommunikationsverhältnisses“ (Hieke, 89) zwischen Mensch und Gott (vgl. Willi-Plein, 97). Während in den meisten Fällen die traditionelle Übersetzung mit „sündigen“ / „Sünde“ durchaus angemessen ist, zeigt sich hier, dass die Semantik von חטא ḥṭʼ deutlich über das hinausgeht, was wir Sünde nennen.

Wichtig für das Verständnis von חטא ḥṭʼ ist seine Rolle im → Tun-Ergehen-Zusammenhang (vgl. Koch 1977, 860-869; Knierim 1965, 73-91; und s.u. 3.5.): In der dynamistischen Weltauffassung des Alten Orients wirkt sich eine Verfehlung auch auf den Täter aus: חטא ḥṭʼ zieht den Tod nach sich (vgl. die Wendung „durch seine Verfehlung sterben“ in Num 27,3; Dtn 24,16; 2Kön 14,6; 2Chr 25,4 oder Ex 10,17; vgl. Knierim 1965, 48f; Koch 1977, 864). Begangene Verfehlung bildet eine Sündensphäre und steht als solche vor JHWH (1Sam 2,17), weckt seinen Zorn (1Kön 8,46) und provoziert seine Reaktion: die „Heimsuchung“ (פקד pqd) der Sünde (Ex 32,34; Hos 8,13; Hos 9,9; vgl. Koch 1977, 861).

In diesem Zusammenhang ist eine Differenzierung der Substantive zu beobachten: חֲטָאָה ḥǎṭāʼāh meint die einzelne sündige Tat, חַטָּאת ḥaṭṭāʼt die Tatsphäre, den „bei Gott vorhandenen Schuldtatbestand“ (Koch 1977, 861; vgl. Ex 32,30-32). חֵטְא ḥeṭʼ, als schärfster Begriff, ist die „unvergebbare Sündenlast“ (a.a.O., 864). Dies ist ablesbar an der Begriffshierarchie in Dtn 19,15 (vgl. Num 18,22f; Hos 12,9) sowie an der Verbindung mit dem Verb נשׂא nśʼ: Während נשׂא חַטָּאת nśʼ ḥaṭṭāʼt das „Wegtragen der Schuldsphäre vom Täter durch einen Dritten, der stellvertretend einspringt“ (a.a.O., 862; vgl. Ex 10,17; 1Sam 15,25), oder durch den Geschädigten selber (Gen 50,17; Ex 32,32; vgl. Ex 34,7; Jos 24,19; Ps 25,18) meint, bedeutet נשׂא חֵטְא nśʼ ḥeṭʼ das Ertragen der Sündenlast. Allein die geheimnisvolle Gestalt des JHWH-Knechtes trägt sogar eigentlich unverzeihliche חֵטְא ḥeṭʼ von Israel fort (Jes 53,12; vgl. a.a.O., 864).

חטא ḥṭʼ hat zudem kollektive Auswirkungen: Die Schuld der Verfehlung ist, so die altorientalische Vorstellung, vom Täter und seinem Umkreis zu tragen (1Kön 13,34; vgl. Koch 1977, 861; Knierim 1965, 97-111). In eine solche Sündensphäre gerät nicht nur die aktuelle Gemeinschaft, sondern sie wirkt auch in künftigen Generationen weiter. Man kann in חטא ḥṭʼ hineingeboren werden (Ps 51,6f). Das mindert jedoch nicht die Verantwortung und die Konsequenzen (s.u. 3.7.1.).

Umso dringender wird die Frage, ob dieser verhängnisvolle Zusammenhang unterbrochen werden kann. Die Antwort findet Israel im Opferkult (→ Opfer; → Ritual) und in der → Fürbitte (z.B. Ex 9,27-29; Ex 32,30ff; Num 21,7; 1Sam 12,19): Sie schieben sich zwischen die Verfehlung und ihre Folge (vgl. Knierim 1965, 91-96). In beiden Fällen ist es JHWH selbst, der die Unterbrechung des Tun-Ergehen-Zusammenhangs einräumt. Er befreit Menschen aus der Unheilsphäre ihrer Verfehlungen: Er gewährt → Sühne (כפר kpr Pi.: Ex 32,30), Vergebung (סלח slḥ: Ex 34,9; Jer 31,34; 2Chr 7,14 u.ö.) oder beides (Lev 4,26.35; Num 15,25.28 u.ö.); er lässt die tödlichen Sündenfolgen am Sünder vorübergehen (עבר ‘br Hif.: 2Sam 12,13; 2Sam 24,10; 1Chr 21,8) oder von den Sündern weichen (סור swr Hif.: Ex 10,17; Jes 27,9). Deshalb können selbst Propheten, die ihre Hauptaufgabe darin sehen, חטא ḥṭʼ und seine Folgen anzuprangern (Jes 1,4; Jer 5,25; Ez 14,13; Hos 4,7f; Am 5,12; Mi 3,8), von Umkehr und Vergebung reden (Koch 1977, 863f). Vor allem aber zeigt sich JHWHs Bereitschaft, aus der Sündenstrafsphäre zu befreien, in der Einsetzung des Tempelkultes. Der Opferkult gibt Israel die Möglichkeit, dem Sündenverhängnis zu entkommen. Beim ḥaṭṭāʼt-Ritus ist dieser Zusammenhang schon in den Namen eingeflossen: die um sich greifende Verfehlung erfordert Gegenmaßnahmen.

2.2.1.4. Der ḥaṭṭāʼt-Ritus trägt seinen Anlass im Namen: Der Opferritus behandelt „Verfehlungen“ (חטא ḥṭʼ) und die Störungen, die aus ihnen resultieren. Ziel ist das Unwirksam-Machen der Folgen von Verfehlungen – und zwar auch unabsichtlicher und nicht moralischer (vgl. Nolland).

Verbal wird der Vorgang mit חטא ḥṭʼ Pi. beschrieben. Es ist entweder als privatives Piel, von חֵטְא ḥeṭʼ denominiert, im Sinne von „entsündigen“ (z.B. Ps 51,9) oder, von חַטָּאת ḥaṭṭāʼt denominiert, im Sinne von „einen ḥaṭṭāʼt-Ritus vollziehen“ (z.B. Lev 6,19; Lev 9,15; 2Chr 29,24) aufzufassen (vgl. Jenni 1968, 267.270.274; Knierim 1971a, 541; Janowski, 230, Anm. 226). Willi-Plein (98f mit Anm. 8) schlägt vor, חטא ḥṭʼ Pi. faktitiv-ästimativ im Sinne von „besündigen“ zu interpretieren: den sündigen Zustand im Kult darstellen und daraufhin beheben (so mit folgendem כפר kpr Pi.: Ex 29,36; Lev 8,15; Ez 43,20; 2Chr 29,24). Bender hat diese These untermauert; sie bleibt aber schwierig im Blick auf das Hitp. und Gen 31,39.

Die traditionelle Bezeichnung lautet Sündopfer. Hieke (88 u.ö.) schlägt „Entsündigungsopfer“ vor. In Anlehnung an Milgroms Deutung des Rituals (vgl. Milgrom 1991, 253-292) hat sich die Bezeichnung „Reinigungsopfer“ verbreitet (z.B. Staubli, 63). Aber der Ritus gilt beidem: der Beseitigung von Unreinheit und der Aufarbeitung von Sünde. „Verfehlung behandelnder Ritus“ oder „Fehlerbereinigungs-Ritus“ wäre deshalb eine zutreffende Bezeichnung (vgl. Nolland, 615: „defect-addressing-offering“).

Der alltägliche ḥaṭṭāʼt-Ritus (Lev 4,1-5,13; Lev 6,17-23; dazu Koch 1977, 865-869; Janowski, 198-209.221-247; Rendtorff, 209-224; Hieke, 88-92) betrifft, streng genommen (die Bestimmungen sind nicht eindeutig; s.u. 3.4.2.), nur unabsichtliche Verfehlungen (בִּשְׁגָגָה bišəgāgāh: Lev 4,2.22.27; Num 15,26-29) und ist deshalb ergänzungsbedürftig. Beim großen Sühneritus des → Versöhnungstages werden ausdrücklich sogar פְּשָׁעִים pəšā‘îm, also bewusste Delikte (s.u. 2.2.4.), in Schuldbekenntnis und Sühnehandlung eingeschlossen (Lev 16,16.21; s.u. 3.4.2.).

2.2.2. רשׁע rš‘ „freveln“

2.2.2.1. Derivate der Wurzel: Von der Wurzel רשׁע rš‘ gibt es folgende Belege:

Das Verb erscheint im Qal (ohne Ez 5,6) 10-mal in der Bedeutung „schuldig sein / werden“, „freveln“, „gegen eine Rechtsnorm verstoßen“, 25-mal im Hif. („schuldig erklären“ oder innerlich transitiv: „schuldhaft handeln / freveln“), 263-mal das Adjektiv רָשָׁע rāšā‘ „schuldig / frevelhaft“, meist substantiviert: „Frevler / Gottloser“, einmal das Abstraktnomen מִרְשַׁעַת mirša‘at „Ruchlosigkeit“ sowie die synonymen Nomina רִשְׁעָה riš‘āh (15-mal) und רֶשַׁע ræša‘ (30-mal), beide „Frevel / Ruchlosigkeit“.

2.2.2.2. Grundbedeutung: רשׁע rš‘ trägt juridischen Charakter: es lässt sich an einer objektiven Rechtsnorm messen. So bedeutet das Verb im Grundstamm „schuldig / falsch gegenüber der Rechtsnorm sein“ und der רָשָׁע rāšā‘ ist ein „Frevler“, weil er gegen eine Norm verstößt (vgl. Gesenius, 18. Aufl., 1271; van Leeuwen, 813-818; Ringgren 1993).

2.2.2.3. רשׁע rš‘ als Sündenbegriff: Oft steht רשׁע rš‘ für moralisch abstoßende Untaten im sozialen Bereich, die dann aber auch Auswirkungen auf das Gottesverhältnis haben: Die רְשָׁעִים rəšā‘îm sind als Gegner der Frommen (z.B. Jes 48,22; Mal 3,18; Ps 1,1.4-6; Ps 3,8; Spr 3,33) zugleich JHWHs Feinde (z.B. Ps 37,30; Ps 68,2f; 2Chr 19,2) und deshalb schlechthin „Gottlose“ (so die gängige Übersetzung in der Lutherbibel und in der Elberfelder Bibel und vgl. Ringgren 1993, 677).

Als „wichtigstes Oppositum“ zu צדק ṣdq ist רשׁע rš‘ „Ausdruck für das negative Verhalten, für üble Gedanken, Worte und Werke, ein gemeinschaftswidriges Benehmen“ (van Leeuwen, 814; zum Gegensatz צדק ṣdq – רשׁע rš‘ vgl. Gen 18,23.25; Dtn 25,1; 1Kön 8,32; Jes 5,23; Ps 1,5f; 2Chr 6,23 u.ö.). Durch Gewalttat, Mord, Unterdrückung und Unrecht zerstört der „Frevler“ nicht nur die menschliche Gemeinschaft, sondern auch das Verhältnis von Mensch und Gott, für den diese Freveltaten genauso ein Gräuel sind wie Götzendienst (Spr 15,8f).

Auch das mit רשׁע rš‘ bezeichnete Schuldigwerden an Rechtsnormen ist als schicksalwirkende Tatsphäre vorgestellt (van Leeuwen, 814). Nicht nur Blutschuld wird eingefordert (Num 35,31; 2Sam 4,11), jeder Frevel fällt auf den zurück, der ihn begeht (Spr 10,24; Spr 13,6; Spr 29,16; Pred 8,8 u.ö.). Der → Tun-Ergehen-Zusammenhang ist dabei von JHWH in Gang gesetzt (1Kön 8,32 par. 2Chr 6,23; Spr 3,33; Spr 16,4). Seine Gültigkeit wird aber in der späteren → Weisheit angezweifelt (z.B. Hi 9,22; Pred 7,15; Pred 9,2; vgl. a.a.O., 818).

Auch in Bezug auf רשׁע rš‘ kennt die Hebräische Bibel eine Kollektiv- (Gen 18,23-25) und eine Generationenhaftung (Ex 20,5), gegen die allerdings auch Einspruch erhoben wird (Ez 18,5-20; vgl. Gen 18,16-33). JHWH ist bereit, den verhängnisvollen Zusammenhang zu durchbrechen: er lädt die „Frevler“ zur Umkehr ein und lässt den Einspruch gegen die Generationenhaftung gelten (Ez 18,23.32; Ez 33,11).

2.2.3. עָוֹן ‘āwon „Sündenschuld“

2.2.3.1. Die Wurzel עוה ‘wh: Von der Wurzel עוה ‘wh ist vor allem das 231-mal nur 2-mal im Qal, 4-mal im Nif., 2-mal im Pi. und 9-mal im Hif. vor.

2.2.3.2. Grundbedeutung: Die Etymologie der Wurzel liegt im Dunkel, da auch semitische Parallelen rar sind. Als ursprüngliche Grundbedeutung wird oft „verdrehen / beugen / krümmen“ angenommen (vgl. Knierim 1965, 237-239; Knierim 1976, 244f). Die Semantik „krümmen“ ist aber nur Ps 38,7 (Nif. sich unter einer Last oder vor Trauer krümmen; vgl. Ps 38,5 mit עָוֹן ‘āwon) und eventuell Jes 21,3 (Nif.: sich vor Schmerzen krümmen) erkennbar. Dazu ist Hi 33,27 (Hif.) von einer „Beugung“ des Rechts die Rede. Alle anderen Verbformen sind kaum in dieses Schema zu pressen. Als gemeinsamer Nenner erweist sich „entstellen / verzerren / verkehren“ (im Pi. aktiv: Jes 24,1; Klgl 3,9; im Nif. passiv: 1Sam 20,30; Spr 12,8). Das Hif. wird im Sinne von „sündigen“ verstanden (in Jer 3,21 scheint im Motiv der „verkehrten Wege“ noch die Grundbedeutung durch). In späten Texten ist das Qal gleichbedeutend mit dem Hif. (Est 1,16; Dan 9,5).

Selbst wenn man an einem etymologischen Kern „Beugung“ beim Verb festhalten möchte, spielt dieser keine Rolle mehr für den Gebrauch des Nomens (vgl. von Rad, 276, und Koch 1986, 1161, der sogar einen denominierten Grundstamm annimmt). עָוֹן ‘āwon bezeichnet ein sündiges Tun und seine Folgen.

2.2.3.3. עָוֹן ‘āwon als Sündenbegriff: Wie חטא ḥṭʼ und פשׁע pš‘ ist auch עָוֹן ‘āwon ein Formalbegriff, der als solcher über verschiedene Tatbestände ausgesagt werden kann (vgl. Knierim 1976, 247).

Obwohl עָוֹן ‘āwon in kultischen Formeln, z.B. im Schuldbekenntnis, eine wichtige Bedeutung bekommen hat, stammt der Begriff ursprünglich nicht aus dem Kultus. Er bringt vielmehr eine für den altorientalischen Menschen alltägliche Lebensauffassung zum Ausdruck: den Zusammenhang von Tat und Tatfolge (vgl. Knierim 1965, 185-237; Knierim 1976, 246f). Dieser → Tun-Ergehen-Zusammenhang wird an zahlreichen Stellen, die vom עָוֹן ‘āwon reden, ausdrücklich thematisiert (z.B. Gen 15,16; 1Kön 17,18; Jes 30,13; Jer 32,18; Hos 5,5; Ps 31,11; Klgl 5,7; vgl. Knierim 1965, 251). Das dynamistische Ganzheitsdenken, das auch im Kontext der anderen Sündenbegriffe eine Rolle spielt, bildet bei עָוֹן ‘āwon also den semantischen Kern: עָוֹן ‘āwon beschreibt eine „schuldhafte Verflechtung“ (Koch 1986, 1162), die aus der Einheit einer Tat mit ihrer Schuld und ihrer Strafe resultiert (vgl. Knierim 1965, 73-91.251-254; Knierim 1976, 244f; Koch 1986, 1162.1164). Hier liegt das Proprium des Begriffes.

Das eigene Schuldbewusstsein ist – entgegen früherer Annahmen – kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von den anderen Sündenvokabeln: Gen 15,16; Gen 19,15; Lev 22,16; Num 18,1.23; 1Sam 14,38.41; 1Sam 20,1.8; 2Sam 14,32; 1Kön 17,18; Jes 6,7 handeln von unbewusster und ungewollter Sündenschuld (vgl. Knierim 1965, 239-251; Knierim 1976, 245f).

Damit ergibt sich ein Übersetzungsproblem: עָוֹן ‘āwon ist weder mit „Strafe“ noch mit „Schuld“ hinreichend wiederzugeben. Vergehen, Schuld und Strafe sind im Begriff als Einheit zusammengedacht. Im Grunde beschreibt עָוֹן ‘āwon nicht entweder das eine oder das andere, sondern die Tatsphäre insgesamt: „die unheilschwangere Tat, die verhängnisvolle Folgen auslösen und den Täter bei seiner Verantwortung behaften wird“ (Schenker 2001, 733).

Der עָוֹן ‘āwon wird dabei als „dingähnliche Substanz“ (Koch 1986, 1164) vorgestellt, zuweilen auch als „eine eigenwirksame, zurückschlagende Macht“ (ebd.): Sie findet (מצא mṣʼ) ihren Urheber (2Kön 7,9), geschieht ihm (קרה qrh, 1Sam 28,18) und kommt erst an ihr Ende, wenn der Schuldige „in“ (בְּ ) seinem Schuld-Strafe-Verhängnis vergeht (ספה sph: Gen 19,15; vgl. Lev 26,39; Ex 28,43; vgl. Koch 1986, 1165).

Wie schon im Blick auf חטא ḥṭʼ und רשׁע rš‘ beobachtet, übt die Schuld-Strafe-Sphäre ihre Macht nicht nur auf den Täter aus, sondern wirkt auch auf die Gemeinschaft (Lev 22,16) und von der Gemeinschaft unweigerlich auf den Einzelnen, der in einen Schuldzusammenhang hineingeboren wird (Lev 16,21f; Ps 51,7), und sogar auf kommende Generationen (vgl. die Rede vom עָוֹן ‘āwon der Väter: z.B. Ex 20,5; Ex 34,7; Lev 26,39f; Dtn 5,9; Neh 9,2; vgl. Knierim 1965, 252; Koch 1986, 1174).

Eine Abwendung des Schuldverhängnisses vom Täter ist von JHWHs Willen abhängig und nur ihm allein möglich (vgl. 2Sam 24,10; Ps 65,4; Ps 78,38; vgl. Koch 1986, 1165f.1168.1175). Die Glaubenden, die durch JHWH Einsicht in den ‘āwon-Zusammenhang erhalten und vor seiner unheimlichen Wirkung erschrecken (Jes 59,2; Ps 51,6f; Ps 90,7f), finden Trost und Zuflucht bei JHWH: Er vergibt die verhängnisvolle Schuld (סלח slḥ: Ps 25,11; Ps 103,3; Ps 130,3f), trägt sie weg (נשׂא nśʼ: Ps 32,5; Ps 85,3; s.u. 3.6.), wäscht (כבס kbs Pi.: Ps 51,4) oder wischt sie ab (מחה mḥh: Ps 51,11) und kauft von ihr los (פדה pdh: Ps 130,8; vgl. Lev 27,27; Ex 13,13; vgl. Koch 1986, 1168).

Besonders im Ritus des → Versöhnungstags wird dieses „schuldtilgende Gotteshandeln“ (Koch 1986, 1175) anschaulich, wenn der → Sündenbock die עֲוֹנֹת ‘ǎwonot des Volkes fortträgt (Lev 16,21f).

2.2.4. פשׁע pš‘ „brechen mit; Delikt / Verbrechen begehen“

2.2.4.1. Derivate der Wurzel פשׁע pš‘: Die Wurzel פשׁע pš‘ ist 41-mal als Verb (1-mal Nif., sonst Qal) und 93-mal als Nomen פֶּשַׁע pæša‘ belegt.

2.2.4.2. Grundbedeutung: Neben dem unspezifischen Gebrauch „sündigen / sich an jemandem vergehen“ hat das Verb פשׁע pš‘ an markanten Stellen die Bedeutung „abtrünnig sein“. Im Blick ist dabei eine Loslösung von Gott, von Menschen oder auch von verbündeten Völkern. Das Nomen פֶּשַׁע pæša‘ steht für Eigentumsdelikte, Sittenverstöße oder religiöse Vergehen. Das semantische Feld kann unter den Stichworten „brechen mit“, „Rechtsbruch“, „Verbrechen“ zusammengefasst werden (vgl. Knierim 1965, 178-180; Knierim 1976a, 490f; Seebass 1989). Die früher postulierte Grundbedeutung „Bestreitung / Rebellion“ (vgl. von Rad, 276) hält einer Überprüfung nicht stand.

2.2.4.3. פשׁע pš‘ als Sündenbegriff: פשׁע pš‘ hat rechtlichen Charakter und wird deshalb in besonderer Weise an seiner Auswirkung auf die Gemeinschaft und an ihren Normen gemessen. Wie bei den anderen Sündenbegriffen ist der → Zusammenhang von Tat und Folge mitgedacht (Ez 33,10).

Dabei ist פשׁע pš‘ „ein außerordentlich starker Begriff“ (Knierim 1965, 180): „Wer pæša‘ begeht, rebelliert nicht einfach gegen Jahwe oder bäumt sich gegen ihn auf, sondern er bricht mit ihm, nimmt ihm das Seine weg, raubt, unterschlägt es, vergreift sich daran“ (Knierim 1976a, 493).

Diese Bedeutungsschwere der Vokabel schlägt sich besonders in der prophetischen Verkündigung nieder: פשׁע pš‘ wird zum Zentralbegriff ihrer Kult- und Sozialkritik (Jes 1,2; Jer 2,8; Ez 2,3; Hos 8,1; Am 5,12; Mi 1,5 u.ö.).

Bei einem „Verbrechen“ oder „Treubruch“ ist natürlich ein willentliches und bewusstes Verhalten vorausgesetzt, das hebt פֶּשַׁע pæša‘ von חַטָּאת ḥaṭṭāʼt oder עָוֹן ‘āwon ab (vgl. Cover, 32). Dennoch „bezeichnet der Begriff als solcher nicht die Gesinnung, sondern das Verbrecherische einer Tat, das im Wegbrechen von Eigentum oder im Bruch einer Gemeinschaft besteht“ (Knierim 1976a, 493). Die häufige Wendung פשׁע pš‘ + בְּ „brechen mit“ und damit „sündigen an“ (1Kön 8,50; Jes 66,24; Jer 33,8; Ez 18,31; Hos 7,13; Zef 3,11 u.ö.) ist das genaue Gegenteil von אמן ʼmn Hif. + בְּ „glauben an / vertrauen auf“ (vgl. Knierim 1965, 179, Anm. 120). In diesem Sinne ist פֶּשַׁע pæša‘ im Alten Testament „das schwerste Phänomen von Sünde“ (Knierim 1976a, 493).

2.2.5. Weitere Vokabeln

Neben den vier Hauptbegriffen gibt es weitere Vokabeln, die ein Verhalten als verfehlt klassifizieren, sei es ethisches Fehlverhalten (etwa בְּלִיַּעַל bəlijja‘al „Niederträchtigkeit“, z.B. Ri 19,22; Wurzel עול ‘wl „ungerecht / böse sein“, z.B. Ps 37,1; אָוֶן ʼāwæn „Übeltat“, z.B. Jes 31,2) oder die Missachtung Gottes (etwa מרה mrh „rebellieren“ z.B. Dtn 1,26; בזה bzh „verschmähen“, z.B. Num 15,31; נאץ n’ṣ „verachten“ z.B. Num 14,11; חנף ḥnp „gottlos sein / entweihen“ z.B. Num 35,33; Jes 9,16; עבר ‘br „[Bund / Gebote] übertreten“, z.B. Hos 6,7; Jes 24,5).

Weil sie der göttlichen Weisheit entgegensteht, kann auch „Torheit“ als Sünde gelten (Schenker 2001, 731f.734, Boda 2009, 11.359-376). So wird die Wurzel נבל nbl I in der Bedeutung „töricht / gottlos“ zum formalen Sünden-Lexem (als Adjektiv z.B. in Dtn 32,21; Ps 14,1; das Nomen נְבָלָה nəvālāh „Torheit / Gottlosigkeit“ z.B. in Gen 34,7; Dtn 22,21; 2Sam 13,12; Jes 9,16; Jer 29,23). Auch der כְּסִיל kəsǐl, der „Dumme“, und der פֶּתִי pætî, der „Einfältige“, gerät durch seine Missachtung der Weisheit oft auf moralische Abwege (z.B. Spr 1,32; Spr 10,23; Spr 13,19; Pred 4,17; → Torheit), aber sie werden noch für belehrbar gehalten (Spr 8,5). Insbesondere der פֶּתִי pætî wird nicht prinzipiell als Sünder, sondern nachsichtig beurteilt (vgl. Ez 45,20; Ps 19,8; Ps 116,6; Ps 119,130).

2.3. Begriffe für Schuld

Das biblische Hebräisch kennt neben עָוֹן ‘āwon (s.o. 2.2.3.) zwei allgemeine Begriffe für Verpflichtung, die aus Schuld erwächst. Separat dazu hat sich eine spezielle Terminologie für ökonomische Verschuldung entwickelt, deren Wortfeld sich aber selten mit den Sündenbegriffen überschneidet (s.u. 3.8.).

2.3.1. אשׁם ʼšm „haftpflichtig sein / werden“

Die Wurzel אשׁם ʼšm ist im biblischen Hebräisch 35-mal belegt, davon 33-mal im Qal, je einmal im Nif. und Hif., sowie als Nomina 46-mal אָשָׁם ʼāšām, 19-mal אַשְׁמָה ʼašmāh und dreimal das Verbaladjektiv אָשֵׁם ʼāšem.

Das Nomen אָשָׁם ʼāšām ist mit „Schuld“ nur unzureichend wiedergegeben. Es bezeichnet nie das Vergehen, sondern immer nur seine Folge (vgl. Knierim 1971, 253; Janowski, 256). Darin steht der Begriff עָוֹן ‘āwon nahe, hat aber einen anderen Schwerpunkt: „‘āwōn spricht das Moment der Schwere, der Belastung, der Last (der Schuld) an, ’āšām dagegen das Moment des Verpflichtet-Seins (zur Schuldableistung)“ (Knierim 1971, 254).

Die Ableitungen der Wurzel אשׁם ʼšm lassen sich also mit dem Kunstwort „Schuldpflicht“ oder mit dem in der Alltagssprache gebräuchlichen „Haftpflicht“ bzw. „haftpflichtig sein / werden“ wiedergeben. Zu beachten ist jedoch, dass in den Aspekt der Verpflichtung die Ableistung („Haftpflicht erstatten“) eingeschlossen sein kann und die Haftpflicht zuweilen auch als abstractum pro concreto die materielle Wiedergutmachung bezeichnet (vgl. Knierim 1971; Henning-Hess, 618-621).

Die Verpflichtung kann auf zwischenmenschlicher Schuld (Gen 26,10; Gen 42,21; Num 5,7f), auf kultisch-ritueller (Lev 4,13.22.27; 1Sam 6,3f.8.17) oder ethischer (Jer 2,3; Ps 68,22) Schuld gegenüber Gott beruhen. In nachexilischen Texten wird אַשְׁמָה ʼašmāh synonym zu עָוֹן ‘āwon gebraucht und steht im Sündenbekenntnis für die umfassende Schuld des Volkes gegen Gottes Gebot (Esr 9,6f.13.15; Esr 10,10.19; 2Chr 24,18).

Besonders der ʼāšām-Ritus, das „Entschuldigungsopfer“ (vgl. Hieke, 85-88) oder „Haftungsopfer“ (Schenker 2001, 732; traditionell: „Schuldopfer“), macht deutlich, dass es im Kontext von אשׁם ʼšm um die Wiederherstellung eines gestörten Lebenszusammenhanges durch Ausgleichsmaßnahmen geht (Lev 5,14-26; Lev 7,1-7). Dies vollzieht sich in drei Einzelschritten: im Haftpflichtigwerden, in der Anerkennung des Haftpflichtigseins und in der Ableistung der Haftpflicht (vgl. Henning-Hess, 620f).

Die Opferdarbringung selbst ist nicht der Schadenersatz, sondern ein eigenständiger Beitrag zur Störungsbehebung: Im ʼāšām-Ritus wird das Bewusstwerden und Anerkennen von Schuld ausgedrückt (vgl. Henning-Hess, 621). Während die Kompensation und Erstattung des Schadens zivilrechtlich vollzogen wird, ist das kultrechtliche „Entschuldigungsopfer“ ein Angebot Gottes, das Vergebung und somit Versöhnung mit Gott ermöglicht (Hieke, 86f.286).

Das Bewusstwerden, also die subjektive Komponente, ist in den priesterlichen Texten das semantische Proprium von אשׁם ʼšm. Nach Milgrom (1976, 3-12) meint אשׁם ʼšm in Lev 4f nicht den „state of guilt“, sondern den daraus hervorgehenden psychologischen Effekt: „feel guilt“. Dies wird von Kiuchi (1987, 31-34) korrigiert in „realize guilt“; vgl. Rendtorff, 137-142.152f: wer „sich seiner Schuld bewusst wird“; so auch Hieke, 85-87.235.246f; Boda 2009, 62-64; anders Sklar 2005, 24-41: „to suffer guilt’s consequences“, was allerdings nur zum nichtpriesterlichen Sprachgebrauch, nicht aber in Lev 4f passt (vgl. Boda 2009, 63f).

2.3.2. חוב ḥwb „schuldig sein / werden“

Von der Wurzel חוב ḥwb, die später zu einer wichtigen Sündenvokabel wird (s.u. 3.8.), sind in der Hebräischen Bibel nur je einmal ein Verb und ein Nomen belegt. חוב ḥwb Pi. in Dan 1,10 bedeutet „straffällig machen“ (vgl. Gesenius, 18. Aufl., 328), חוֹב ḥôv in Ez 18,7 wohl „Schulden“, aber der Text ist unklar.

2.4. Das Böse: die Wurzel רעע r‘‘ „böse / schlecht sein“

Das Gegensatzpaar „gut“ und „böse“ bestimmt in den meisten Sprachen das moralische Koordinatensystem. Das ist auch im biblischen Hebräisch so (allerdings mit zwei wesentlichen Besonderheiten: s.u. 2.4.1. und 2.4.2.). Das hebräische Pendant zu „böse“ und Antonym zu טוֹב ṭôv „gut“ ist das Adjektiv רַע ra‘, das oft substantiviert verwendet wird. Aus seiner Wurzel רעע r‘‘ sind außerdem das Verb im Qal, Nif. und Hif. sowie die Substantive רָעָה rā‘āh, רֹעַ ro‘a und מֵרַע mera‘ abgeleitet. Insgesamt gibt es 780 Belege im Alten Testament. Davon zu unterscheiden ist רעע r‘‘ II, eine Nebenform des west- und südsemitischen rṣṣ „zerbrechen“.

Im Folgenden sind die semantischen Besonderheiten der Wurzel und die Schnittmenge mit dem Konzept „Sünde“ darzulegen:

2.4.1. רעע r‘‘ wird funktional bestimmt: Während in europäischen Gegenwartssprachen beim Gegenteil von „gut“ in einen moralischen (böse, evil, mal) und einen funktionalen (schlecht, bad, mauvais) Begriff unterschieden wird, umfasst die hebräische Wurzel רעע r‘‘ I beides.

Das Adjektiv רַע ra‘ kann mit „schlecht“ oder „böse“ bzw. substantiviert „das Schlechte“ oder „das Böse“ übersetzt werden, das Verb mit „schlecht oder böse sein“ (Qal), „schlecht oder böse ergehen bzw. behandelt werden“ (Nif.) und „Schlechtes oder Böses verursachen“ (Hif.). Das Substantiv רֹעַ kann nicht nur „Boshaftigkeit“, sondern auch „Schlechtigkeit“ im Sinne von Unbrauchbarkeit (Jer 24,2f.8; Jer 29,17) bedeuten oder einen schlechten, aber nicht moralisch bösen Gemütszustand bezeichnen (Pred 7,3; Neh 2,2). Das Nomen רָעָה rā‘āh steht zwar nicht für ein Schlecht-Funktionieren, aber es hat neben seinem moralischen Sinn („Böses“ oder als Abstraktbegriff „Bosheit“; so auch das Hapaxlegomenon מֵרַע mera‘ in Dan 11,27) eine zweite Bedeutung: „(erfahrenes) Übel / Unheil“. Auch das hängt mit der funktionalen Auffassung vom „Bösen“ zusammen (s.u. 2.4.2.): רעע r‘‘ ist, was gute Ordnungen und Lebensvollzüge stört, schädigt, vernichtet und behindert, insofern sowohl das physisch Schlechte als auch das moralisch Böse.

Das semantische Feld der Wurzel רעע r‘‘ umfasst dementsprechend neben willentlicher moralischer Bosheit (s.u. 2.4.5.) auch materiellen (z.B. Gen 41,19f; Num 20,5; 2Kön 2,19; Spr 20,14) oder emotionalen (z.B. Gen 40,7; Gen 44,31.34; Jon 4,1.6; Neh 2,2) Mangel sowie die Schädigung von Leib und Leben, unabhängig davon, ob ein böser Wille dahintersteht (vgl. Gen 37,20: durch Tiere; Jes 32,7: durch Waffen; Dtn 7,15: durch Krankheit; Spr 15,10: durch Züchtigung).

2.4.2. רעע r‘‘ bezeichnet sowohl moralisch Böses als auch physisches Übel: Aus dem funktionalen Charakter von רעע r‘‘ ergibt sich die zweite Abweichung vom Konzept des „Bösen“ im europäischen Sprachraum. Während wir in der Regel intuitiv zwischen dem moralischen Bösen, das einer tut, und dem physischen Übel, das einer erleidet, unterscheiden und die abendländische Philosophie dementsprechend malum physicum und malum morale auseinander hält, steht die hebräische Wurzel רעע r‘‘ gleichermaßen für böses Wollen und Tun wie für übles Ergehen. Auch wenn es legitim (und manchmal notwendig) ist, in der Übersetzung zwischen aktiv verübtem und passiv erlittenem רָעָה rā‘āh, also zwischen „Bösem“ und „Unheil“, zu differenzieren – letztlich liegt die Eigenart der hebräischen Auffassung gerade darin, beides zusammenzudenken.

Der semantische Schlüssel dafür ist die Opferperspektive, aus der רעע r‘‘ immer gedacht ist: Was mit רעע r‘‘ qualifiziert wird, muss nicht unbedingt moralisch böse sein (Täterperspektive), aber es ist – oder scheint – immer schädlich oder lebensabträglich für jemanden oder etwas (Opferperspektive).

So bedeutet der Kausativstamm (רעע r‘‘ Hif.) zunächst einfach „schlecht handeln, jemandem Schwierigkeiten machen, Schaden zufügen“ (Stoebe, 801). Der Schwerpunkt der Aussage liegt auf der Wirkung, nicht auf der moralischen Absicht, die dahinter steht. Auch unbeabsichtigtes (Gen 43,6) oder missverstandenes (Ex 5,22) Handeln kann in diesem Sinne „böse“ sein. Der entscheidende Punkt ist, dass „Böses“ schädigt, Schmerz zufügt (עצב ‘ṣb, 1Chr 4,10) oder das Leben beeinträchtigt, unabhängig davon, ob das willentlich geschieht oder nicht. Das wird offensichtlich, wo Gott als Verursacher von etwas „Bösem“ (רעע r‘‘) gilt, dieses „Böse“ aber als gerechte Strafe und somit als unverzichtbare Komponente einer guten, gerechten Ordnung interpretiert wird (z.B. Ri 2,15; 1Kön 9,9; Jes 31,2; Jes 45,7; Jer 6,19; Ez 6,10; Am 3,6; Mi 4,6). Die Beurteilung als רַע ra‘ geschieht dann nicht im Blick auf den Täter, dem keine böse Absicht nachgesagt werden kann. Sie geschieht vielmehr aus Perspektive der Betroffenen: Weil JHWHs Strafhandeln ihnen aktuell Leid und Schmerz zufügt, ist es für sie רַע ra‘, ganz gleich, ob sie daran eine Mitschuld tragen oder das Unheil in Gottes Perspektive zum Guten dient.

Das „Böse“ wird in der Hebräischen Bibel also nicht von seiner Absicht, sondern von seiner Wirkung her als solches beurteilt (vgl. Brandenburger, 29). An diesem Punkt berührt es sich eng mit dem hebräischen Sündenkonzept. „Böses“, das Menschen verüben, wird dann auch oft parallel mit den gängigen Sündenvokabeln beschrieben. Das „Böse in JHWHs Augen“, d.h. in seinem Urteil, ist die prägnanteste Definition von Sünde schlechthin (s.u. 2.4.5.). Wo allerdings Gott „Böses / Unheil“ (רעע r‘‘) verursacht, wird das nie mit den Sündenlexemen bezeichnet (vgl. Schenker 2001, 728).

2.4.3. רעע r‘‘ ist relational und subjektiv: Hinter dem hebräischen רעע r‘‘ steht genau wie hinter unserem „böse“ keine objektiv messbare Tatsache, sondern immer ein Urteil, das je konkret für jemanden und nur in bestimmter Hinsicht gilt. Das Böse ist relational und subjektiv. Wie subjektiv die Einschätzung als רעע r‘‘ sein kann, illustriert etwa Jon 4,1.6. Und auch der gängige Ausdruck für Ablehnung und Missfallen, etwas sei „böse in jemandes Augen“ (רַע בְּעֵינֵי ra‘ bə‘ênê …; Neh 9,28 auch רַע לְפָנֶיךָ ra‘ ləfānǽkhā; s.u. 2.4.5.), unterstreicht die prinzipielle Subjektivität des Urteils.

2.4.4. Der Kontrastbezug von טוֹב ṭôv „gut“ und רַע ra‘ „böse“: Gut und Böse sind in der Hebräischen Bibel klare Gegensätze wie Licht und Finsternis – sowohl im Tun (Jes 5,20) als auch im Ergehen (Jes 45,7; Jes 59,9f; Hi 30,26). Gerade bei Werturteilen in juristischen Zusammenhängen wird das Gute zuweilen ex negativo, in Unterscheidung vom Nicht-Guten, bestimmt (Ez 18,18; Spr 17,26; Spr 18,5; Spr 20,23; Spr 24,23; Spr 28,21; Neh 5,9). In der Sprache der Weisheit liefert die Abkehr vom Bösen (סוּר מֵרָע sûr merā‘: z.B. Ps 34,15; Hi 1,1.8; Hi 28,28; Spr 3,7; Spr 13,19; → Umkehr) die entscheidenden Koordinaten für das Gute: Es ist eindeutig in der Gegenrichtung zu finden. Böse ist das, was dem Guten widerspricht, was nicht gewollt wird, weil es nicht gefällt und angenehm ist (Num 11,11; Jes 65,12; Jes 66,4), aus theologischer Perspektive: das, was der Bestimmung Gottes entgegenläuft. Das Böse ist das Gegenteil von Ganzheit, Heil, Frieden (שָׁלוֹם šālôm: Jes 45,7; Ps 34,15; Spr 12,20; → Friede).

Oft werden טוֹב ṭôv und רַע ra‘ auch pointiert als die Alternativen einer Entscheidung genannt. Den Unterschied zwischen Gut und Böse kennen ist ein Zeichen der kognitiven und moralischen Reife (Dtn 1,39; Dtn 30,15; 2Sam 19,36; Jes 7,15.16; Jon 4,11). An vielen Stellen impliziert das Gegensatzpaar eine ethische Entscheidung (z.B. 1Sam 24,18; Jes 5,20; Jer 4,22; Am 5,14f; Mi 3,2; Mal 2,17; Ps 36,4f; Spr 11,27). Nicht selten steht es in einem juristischen Kontext – im realen oder übertragenen Sinn (Lev 5,4; 2Sam 14,17; 1Kön 3,9; Jer 40,4; Jer 42,6; Pred 12,14 u.ö.). „Zwischen Gut und Böse unterscheiden“ hat dann die Bedeutung „zwischen Recht und Unrecht unterscheiden“. Die polare Formulierung stellt immer vor eine Alternative, oft ethisch-theologischer Natur (vgl. Oberforcher, 104-109.124). Das Wortpaar lässt beim Leser automatisch ein inneres Koordinatensystem entstehen: Es verlangt nach Bewertung und Entscheidung (vgl. Knierim 1997, 90f).

Vor diesem Hintergrund muss die viel diskutierte Wendung „Gut und Böse“ in der Bezeichnung des → Paradiesbaumes (Gen 2,9.17; vgl. Gen 3,5.22) gedeutet werden: Ein Merismus, der die Gesamtheit des Wissbaren durch die beiden gegensätzlichen Begriffe „gut“ und „böse / schlecht“ umschreibt, kommt für Gen 2f eher nicht in Frage (vgl. Buber, 611-614; Clark, 270; Albertz, 92f, gegen einen breiten Strom der Exegese). Schon grammatisch fehlt hier eine für die eindeutigen Merismen typische Konstruktion wie „es sei böse oder gut“ (רַע אוֹ־טוֹב ra‘ ʼô-ṭôv: Gen 24,50) oder „vom Guten bis zum Bösen“ (מִטּוֹב עַד־רָע miṭṭôv ‘ad-rā‘: Gen 31,24.29; 2Sam 13,22). Der Baum im Garten Eden bietet keine Allwissenheit, sondern er stellt vor eine Entscheidung. In einer Wendung wie דַּעַת טוֹב וָרָע da‘at ṭôv wārā‘, die doch offenbar Grundlegendes beschreiben möchte und dabei auf jede Näherbestimmung verzichtet, dürften beide Aspekte eingeschlossen sein, der funktionale und der moralische: Der Name des Baumes steht also für autonome Entscheidungen hinsichtlich des Lebensförderlichen oder Schädigenden, einschließlich des moralisch Guten und Bösen.

2.4.5. Das „Böse“ als Sündenbegriff. Das Konzept „Sünde“ als ein von Gott als falsch beurteiltes Verhalten findet in der stereotypen Wendung, ein Tun oder Verhalten sei „böse in JHWHs Augen“ (רַע בְּעֵינֵי יְהוָה ra‘ bə‘ênê jhwh), seinen knappsten und präzisesten Ausdruck in der Hebräischen Bibel. Manchmal geht es dabei um ein spezielles Verhalten oder Vorhaben (Gen 38,10; Num 22,34; 1Sam 15,19; 2Sam 12,9; 1Kön 11,6 u.ö.), meistens aber um generellen Ungehorsam und Untreue JHWH gegenüber (Dtn 31,29; Ri 13,1; 1Kön 14,22; 2Kön 21,15f; Jer 18,10; 2Chr 29,6 u.ö.).

Das deuteronomistische Sprachmuster (→ Deuteronomismus) „das in JHWHs Augen Böse tun (עשׂה ‘śh)“ ist Leitmotiv im Richterbuch (7-mal) und Kriterium für die Beurteilung von Königen in den Königebüchern (28-mal). Hier sind weit überwiegend Verstöße gegen das erste Gebot im Blick: Untreue JHWH gegenüber; fremde Götter und Kultbilder gelten als böse im Urteil JHWHs. 2Sam 12,9 (Davids Mord und Ehebruch) und 2Kön 21,16 (Manasses Blutvergießen) zeigen jedoch, dass es dabei um eine Schwerpunktsetzung, nicht um eine prinzipielle Definition des vor JHWH Bösen geht (vgl. Thiel, 12).

Die stereotype Wiederholung der immer gleichen Verweigerungshaltung, die im Kontext der biblischen Geschichtsschreibung auch als Undankbarkeit gelten muss, machen für den Leser JHWHs Entrüstung und Enttäuschung über den Beziehungsabbruch verständlich. Zur Wiederholungstat vgl. auch Neh 9,5-31 und Dan 9,4-15; zur Betroffenheit JHWHs vom Bösen auch Ps 51,6; zu JHWHs Enttäuschung auch 1Sam 12,17 (vgl. V. 12); Jes 1,2f; Jes 43,21-24; Jes 59,15; Jes 65,12; Jes 66,4; Jer 1,4; Jer 7,24; Hos 7,13. Diese Texte belegen, dass auch das theologisch definierte Böse immer durch Relationalität (Betroffenheit) und Subjektivität (Enttäuschung, Verletzung) charakterisiert ist.

In dieser theologischen Perspektive und in seinem Kontrast zum Guten ist רַע ra‘ oder רָעָה rā‘āh im weiteren Sinne alles, was der guten Bestimmung und Ordnung des Schöpfers widerspricht, zuwiderläuft, sie stört oder verletzt.

Wo רַע ra‘ oder רָעָה rā‘āh als Objekt zu Verben des Tuns (עשׂה ‘śh: z.B. Jes 56,2; פעל p‘l: Mi 2,1; גמל gml: z.B. Ps 7,5; חרשׁ ḥrš: z.B. Spr 6,14; vgl. die Wendung רֹעַ מַעֲלָלֶיךָ roa‘ ma‘ǎlālǽkhā o. Ä. „Bosheit deiner Taten“: Dtn 28,20; Jes 1,16; Jer 4,4 u.ö.), Sagens oder Planens (Gen 8,21; Ez 11,2; Hos 7,15 u.ö.) tritt, ist auch ohne ausdrücklichen Hinweis der Widerspruch gegen Gottes Willen und damit die negative Bewertung als Sünde im Blick.

Eindeutig als Sündenbegriff ist רעע r‘‘ auch dort qualifiziert, wo es parallel zu חטא ḥṭʼ (Num 22,34; Dtn 9,18; 1Kön 14,22; Ps 51,6 u.ö.), רשׁע rš‘ (Jes 3,11; Ez 13,22; Ps 5,5; Spr 4,14 u.ö.), עָוֹן ‘āwon (Jes 1,4; Jer 36,3; Ez 36,31; Hos 7,1 u.ö.), פֶּשַׁע pæša‘ (Gen 50,17; 1Sam 24,12), אַשְׁמָה ʼašmāh (Esr 9,13; vgl. Ps 34,22), עַוְלָה ‘awlāh (Ps 37,1), אָוֶן ʼāwæn (Jes 31,2; Ps 64,3; Ps 94,16), שׁחת šḥt Hif. „verderben“ (Jes 1,4; Jes 11,9 u.ö.) gebraucht wird.

Wie die gängigen Sündenvokabeln bezieht sich auch רעע r‘‘ gleichermaßen auf soziales und religiöses Fehlverhalten. Unrecht gegen andere Menschen ist genauso „böse“ (z.B. 2Sam 11,27; 2Kön 21,16; Jer 23,14; Sach 7,10) wie Untreue und Abfall von JHWH (z.B. Dtn 9,18; Ri 10,6; 1Kön 14,9; Jer 1,16; Jer 23,11; Hos 7,15) oder religionsgesetzliche Übertretungen (Neh 13,17.27; vgl. Jes 56,2).

Versucht man eine Verhältnisbestimmung zwischen der Rede vom „Bösen“ und den Sündenvokabeln, so erscheint רעע r‘‘ als allgemeinste, aber zugleich radikalste Bewertung, mit der ein sündiges Tun oder Verhalten disqualifiziert wird.

2.4.6. רעע r‘‘ und der Tun-Ergehen-Zusammenhang: Wie die Sündenvokabeln spielt auch die Wurzel רעע r‘‘ eine wichtige Rolle für die Formulierung eines → Tun-Ergehen-Zusammenhangs. Dass Böses auf den zurückfällt, der es begangen hat, wird in der Spruchweisheit vorausgesetzt (Spr 11,19.21; Spr 13,21; Spr 17,13; Spr 28,10; Spr 29,5f) und dann in der Formulierung, JHWH werde das Böse (רָעָה rā‘āh) „auf den Kopf (des Täters) zurückkommen lassen“ (שׁוב šwb Hif.) theologisch präzisiert (Ri 9,57; 1Sam 25,39; 1Kön 2,44; vgl. Ri 9,56; Ps 54,7). Schließlich spiegelt sich der weisheitliche Tat-Folge-Konnex in der deuteronomistischen und prophetischen Verkündigung, wo in Gerichtsansagen oder Gerichtsbegründungen Tat und Strafe korrespondieren (Tat und Folge jeweils mit der Wurzel רעע r‘‘ beschrieben: Dtn 31,29; 1Kön 14,9f; Jes 31,2; Jer 16,10.12; Jer 44,22f; 1Chr 21,15.17; anders ausgedrückte Entsprechung: Jes 3,9; Jer 7,6; Jer 25,7; Ez 7,3-5; Dan 9,14).

2.5. Unreinheit

Die priesterliche Fachsprache hat für das kultisch-rituell richtige oder falsche Verhalten eine eigene Terminologie entwickelt: die Unterscheidung in „rein“ (טָהוֹר ṭāhôr) und „unrein“ (טָמֵא ṭāmeʼ) sowie „heilig“ (קָדוֹשׁ qādôš) und „profan“ (חֹל ḥol; vgl. z.B. Lev 10,10; Ez 22,26). Diese kultisch-rituellen Begriffspaare sind aber keineswegs deckungsgleich mit moralischen Kategorien. Weder Profanität noch rituelle „Unreinheit“ sind „böse“ oder „sündig“. Wer (oder was) als טָמֵא ṭāmeʼ „unrein“ bezeichnet wird, ist nicht etwa schmutzig, auch nicht im übertragenen, moralischen Sinne, sondern nur für den Kontakt mit dem Heiligen disqualifiziert, weil das „Unreine“ als das Grenzen-Verwischende, Chaotische (→ Chaos) die „reine“ Ordnung, die Voraussetzung für die Nähe zu Gott ist, stört und gefährdet (→ Reinheit / Unreinheit / Reinigung [AT]).

Rituelle „Unreinheit“ ist also keine moralische Sünde, sondern im Allgemeinen natürlich und unvermeidbar, manchmal sogar geboten (Bestattung, Zeugung). Dennoch muss das Chaotische im Interesse einer funktionierenden Lebensordnung eingedämmt werden. Dazu dienen Reinheitsvorschriften. Sie repräsentieren gute Ordnung und geben ihr ein stabilisierendes Gerüst. Wird gegen diese Vorschriften verstoßen, zerbricht die Ordnung. Dann werden „sühnende“, also Störungen wiedergutmachende Reinigungsriten notwendig. Indem der Tempelkult die vollkommene Gottesordnung nicht nur symbolisiert, sondern wirkmächtig in der Welt darstellt (vgl. Willi-Plein, 42f), bannt er das Chaotische und setzt das zusammengebrochene System wieder in Kraft. Wird aber das chaotische Element nicht ordnungsgemäß behandelt und eingedämmt, beeinträchtigt es die Gemeinschaft und verhindert Gottes gnädige Gegenwart im Kult. Deshalb bilden unrechtmäßige Profanierung und unbehandelte „Unreinheit“ Schnittmengen zum Konzept der Sünde.

Zur prinzipiellen Unterscheidung von physischer Unreinheit und Sünde vgl. Milgrom 1991, 857; Gane, 289f. Umstritten ist die Zusammenstellung in Lev 16,16.21. Werden hier „Unreinheiten“ (טֻמְאֹת ṭumʼot) und „Verbrechen“ (פְּשָׁעִים pəšā‘îm) in einer „generalisierenden Reidentifikation“ mit der Wendung לְכָל־חַטֹּאתָם ləkhol ḥaṭṭoʼtām im Sinne von „also alle ihre Verfehlungen“ zusammengefasst? So Jenni 2000, 45f; Hieke, 561f.584; ähnlich Schwartz, 18f. Oder grenzt לְכָל־חַטֹּאתָם ləkhol ḥaṭṭoʼtām auf die nicht oder falsch behandelten Unreinheiten ein, also „in Hinsicht auf“ (לְ ) das, was tatsächlich als Sünde gilt? So Kiuchi 1987, 154f. Oder sind die חַטֹּאת ḥaṭṭoʼt „Verfehlungen“ eine eigene dritte Kategorie? So Gane, 285-302; allerdings spricht die Differenzierung von לְכָל ləkhol und וּלְכָל ûləkhol in Lev 11,42.46, auf das er verweist, eher dagegen. Die Auffassung von חַטָּאת ḥaṭṭāʼt als übergreifender Kategorie von Ordnungsstörungen wird immerhin auch durch den ḥaṭṭāʼt-Ritus (s.o. 2.2.1.4.) gestützt, der auch bei physischer Unreinheit „sühnt“, d.h. einen versöhnenden Ausgleich schafft (vgl. Sklar 2005; Nolland; und s.u. 3.9.1.).

Grundsätzlich davon zu unterscheiden sind Texte, die in einem übertragenen, moralischen Sinn von „Unreinheit“ sprechen (vgl. Klawans 2000, 21-46; Klawans 2006, 53-56; Hieke, 119-129). Hier geht es eindeutig um ein Gott widersprechendes Verhalten.

In diesen Zusammenhang gehören die stärkeren Ausdrücke חנף ḥnp „entweiht / gottlos / unrein sein“ und תוֹעֵבָה tô‘evāh „Abscheu Erweckendes / Gräuel“. Sie stehen ausschließlich für moralische „Unreinheit“ (vgl. Klawans 2000, 26; Hieke, 126-129). Moralische „Unreinheit“ ist „böse“ und „Sünde“.

Vgl. dazu die Zusammenstellung von תּוֹעֵבָה tô‘evāh „Gräuel“ und חטא ḥṭʼ in Dtn 20,18; Dtn 24,4; 2Kön 21,11; Jer 16,18; Jer 32,35; Ez 16,51; Ez 18,24, von moralisch verstandenem טמא ṭmʼ mit חטא ḥṭʼ in Ez 37,23, mit עָוֹן ‘āwon in Lev 18,25; Jes 64,5 oder mit פֶּשַׁע pæša‘ in Ez 14,11; Ez 37,23; weiterhin die Ableitungen von רעע r‘‘ im Zusammenhang mit טמא ṭmʼ „unrein sein“ in Jer 7,30; Ez 20,43, mit חנף ḥnp „entweiht / gottlos / unrein sein“ in Jes 9,16; Jer 3,2; Jer 23,11 oder mit תּוֹעֵבָה tô‘evāh „Abscheu Erweckendes“ in Dtn 17,1; 2Kön 21,2.11; Ez 6,9.11; Ez 8,9; Ez 36,31; Spr 15,26; 2Chr 33,2; vgl. Spr 13,19; außerdem den ḥaṭṭāʼt-Ritus nach ritueller Unreinheit in Num 19,13.19f.

Moralische Unreinheit haftet Täter und Land an (Dtn 21,23; Dtn 24,1-4; 1Kön 14,24; 2Kön 16,3; Jer 2,7.23; Jer 3,1.2.9; Hos 5,3; Hos 6,10; Am 7,17; Lev 17-26 und → Ezechiel insgesamt; vgl. Klawans 2000, 34f), zerstört das Gottesverhältnis und verhindert Gottes Gegenwart (vgl. Klawans 2006, 68-72).

Daneben können auch in priesterlichen Texten moralische und rituelle Verfehlungen gleichermaßen mit den gängigen Vokabeln als „Sünde“ bezeichnet werden, z.B. als חטא ḥṭʼ „sich verfehlen / sündigen“ in Lev 5,1-6 (kultisch und ethisch) oder als עָוֹן ‘āwon „Sündenschuld“ in Ex 28,43 (kultisch) und Lev 20,17.19.20 (ethisch). פֶּשַׁע pæša‘ „Verbrechen“ steht dagegen ausschließlich für moralische Sünde (vgl. Lev 16,21 und 13-mal im Ezechielbuch).

Das priesterliche Konzept von „Reinheit“ und → „Heiligkeit“ trägt dem irrationalen Charakter von „Sünde“ Rechnung. Es geht von Gefährdungen aus, die im System begründet liegen, teilweise gar nicht vermeidbar sind, und rechnet mit Störungen jenseits aller Schuldfragen (vgl. Cover, 34-36). Hierin berührt es sich mit der bildhaften Redeweise von der Sünde als schicksalhafter Macht, die in ihrer Eigenmächtigkeit und besonders mit ihrem Ansteckungspotential den Menschen in Beschlag nimmt (s.u. 3.7.). Wie Böses und Sünde wurde auch die chaotische rituelle „Unreinheit“ „als etwas Materielles und Ansteckendes empfunden“ (Staubli, 63). Das gilt allerdings nicht für moralische „Unreinheit“. Diese ist nicht „übertragbar“ (vgl. Klawans 2000, 26).

2.6. Sündenbegriffe in hellenistisch-römischer Zeit

In der → Septuaginta ist bereits eine gewisse Systematisierung der Begriffe und des Konzeptes von Sünde zu erkennen: Das Vokabular reduziert sich, ἁμαρτία hamartía wird zum zentralen Begriff (vgl. Knierim 1971a, 548; Koch 1992, 54; Bieberstein / Bormann, 571; Grund, 1874).

Ableitungen von חטא ḥṭʼ werden in der Regel mit ἁμαρτία hamartía / ἁμαρτάνειν hamartánein übersetzt, daneben mit ἀδικεῖν adikein / ἀδικία adikía, עָוֹן ‘āwon hauptsächlich mit ἁμαρτία hamartía, ἀνομία anomía und ἀδικία adikía, פשׁע pš‘ mit ἀσέβεια asébeia, ἀνομία anomía und ἁμαρτία hamartía und dessen Ableitungen, die Wurzel רשׁע rš‘ vor allem mit ἀσέβεια asébeia und stammverwandten Vokabeln, dann ἁμαρτωλός hamartōlós und ἄνομος ánomos, Ableitungen von רעע r‘‘ meistens mit κακός kakós und πονηρός ponērós und ihren Derivaten (vgl. Quell, 268f). Daneben ist παράπτωμα paráptōma / παραπίπτειν parapíptein als Sündenvokabel zu nennen.

ἁμαρτία hamartía / ἁμαρτάνειν hamartánein als Hauptbegriff, daneben ἀδικία adikía, ἀσέβεια asébeia, ἀνομία anomía, παράπτωμα paraptōma sowie πονηρός ponērós und ὀφειλέτης opheilétēs (dazu s.u. 3.8.) samt ihren Derivaten sind auch im Neuen Testament die entscheidenden Lexeme im Wortfeld Sünde.

In → Qumran gewinnt neben den biblischen Sündenbegriffen אשׁמה ʼašmāh „Schuld“ an Bedeutung; in der rabbinischen Literatur kommt עברה ‘ǎverāh „Übertretung“ (vgl. עבר ‘br in Ps 148,6; Est 3,3) als wichtiger Begriff hinzu (vgl. Börner-Klein, 1895f; Jacobs, 624; Avery-Peck, 2475f; Graves, 131).

3. Charakteristika von Sünde in der Hebräischen Bibel

Die Rede von „Sünde“ in ihren verschiedenen Spielarten und mit den vielfältigen Begriffen durchzieht die Hebräische Bibel wie ein roter Faden (vgl. Cover, 31; Krašovec; Boda 2009; Sklar 2016, 3f). Versucht man den Befund zu systematisieren, ergeben sich folgende Charakteristika der alttestamentlichen Auffassung von „Sünde“:

3.1. Sünde ist Beziehungsabbruch

Die vier Hauptbegriffe beziehen sich in ihren Wertungen alle auf das Zusammenleben in einer Gemeinschaft: חטא ḥṭʼ spricht von der Verfehlung eines Gemeinschaftsverhältnisses. עָוֹן ‘āwon hat besonders den Schaden im Blick, den Sünde auch an der Gemeinschaft anrichtet. רשׁע rš‘ ist ein Vergehen an den Normen einer Gemeinschaft. Und פשׁע pš‘ bedeutet den Bruch eines Gemeinschaftsverhältnisses.

Demnach ist Sünde im Sinne der Hebräische Bibel Störung, Gefährdung oder Bruch einer Beziehung: Störung des sozialen Gleichgewichtes (vgl. von Soosten), Zerbruch menschlicher Gemeinschaft (s.o. v.a. zu פשׁע pš‘) oder der Beziehung zu Gott (vgl. Hos 2,4-22; Hos 11,1f; Hos 14,5; Am 3,2; und den Anfang des → Dekalogs; dazu Waschke, 6f). Sie wird nicht an einer gesetzlichen Norm gemessen, sondern das oberste Kriterium ist Gemeinschaftsgemäßheit (vgl. von Rad, 276-280; Koch 1992, 80-85; Seebass 2009, 178; Bieberstein / Bormann, 570; Boda 2009, 6). An dieser Stelle ist die dogmatische Definition von Sünde als folgenreicher Bruch des Gottesverhältnisses (vgl. Krötke, 1867f; Beuttler) im Alten Testament verwurzelt. Der entsprechende Gegenbegriff zu „Sünde“ ist צְדָקָה ṣədāqāh (→ Gerechtigkeit): Als „Gemeinschaftstreue“ und „Prinzip der sozialen Balance“ (von Soosten, 105) verhindert oder heilt sie den Beziehungsbruch der „Sünde“.

3.2. Jede Sünde betrifft das Gottesverhältnis

Im Kontext der wichtigsten Sündenvokabeln wie auch der Wurzel רעע r‘‘ ist die enge Verknüpfung zwischen sozialem und religiösem Fehlverhalten zu beobachten: „Jedes im Alten Testament erwähnte Vergehen wird als Vergehen gegen Gott verstanden“ (Knierim 1997, 104). Nicht nur religiöse Gleichgültigkeit, Misstrauen oder Ungehorsam gelten als Affront gegen Gott, sondern auch Sünden gegen Mitmenschen treffen immer auch den Schöpfer (Gen 20,6; Gen 39,9; 2Sam 12,9.10.13; Ps 51,6; Spr 14,31; Spr 17,5). Das Ineinander von religiöser und sozialer Sünde (vgl. Ez 18,5-18 und dieselbe Logik in Ps 15,1-5) setzt besonders die prophetische Verkündigung überall voraus (vgl. Boda 2016, 34-43).

Zugespitzt wird diese Auffassung in Ps 51,6. Der Psalm aus nachexilischer Zeit spiegelt ein streng theologisches Konzept von „Sünde“: „Man kann einem Menschen Böses antun (z.B. Ps 105,15), aber sündigen kann man nur gegen Gott. … Sünde als theologische Dimension kann sich nur gegen Jahwe richten“ (Haag, 50; vgl. Zenger, 40; anders Crüsemann 2003, der die Situation eines unabsichtlichen Tötungsdeliktes postuliert, bei dem keine rechtlich wirksame Schuld an anderen Menschen, sondern „allein an Gott“ vorliege).

An diesem Punkt stehen die Sünden-Lexeme der theologisch näher bestimmten Rede von רעע r‘‘ nahe: Sie sprechen von einer Störung der guten Lebensordnung Gottes: Was bei חטא ḥṭʼ und פשׁע pš‘ zum etymologischen Kern gehört, lässt sich durchaus auch im semantischen Feld der anderen Vokabeln ausmachen: Sünde ist Verfehlung der geschöpflichen Bestimmung und als Bruch der Schöpfungsordnung auch ein Bruch mit dem Schöpfer.

3.3. Sünde ist konkrete Tatsünde

Sünde meint in der Hebräischen Bibel keine übergreifende metaphysische Größe, also nicht „die Sünde“ im Singular (wie etwa ἁμαρτία hamartía in Joh 8,34; Röm 6,12.14; Röm 7,8; Hebr 9,26), sondern kommt „in der Regel punktuell“, als „einzelne Taten oder Ketten von Handlungen“ (Kaiser, 352) in den Blick (vgl. Knierim 1965, 60). Die „Tathaftigkeit der Verfehlung“ (Knierim 1971a, 543) ist auch dort mitzudenken, wo summarisch von der verhängnisvollen Macht von Sündentaten die Rede ist (s.u. 3.7.). Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede zum neutestamentlichen Konzept, wo Sünde als universale Macht eine quasi ontologische Größe ist (dazu Wehr; Marshall; Bieberstein / Bormann, 572f).

3.4. Sünde ist die objektiv schädigende Tat

3.4.1. Das objektive Verschuldungsprinzip

Von den wichtigsten Ausdrücken für Sünde setzt nur פשׁע pš‘ Absicht und bösen Wille fraglos voraus, aber selbst hier steht die verbrecherische Wirkung im Vordergrund. Die Einschätzung als Sünde ist in der Hebräischen Bibel zunächst und vor allem an den objektiven Auswirkungen einer Tat, nicht an der subjektiven Intention des Täters orientiert (vgl. von Rad, 280f; Seebass 2003, 146; Knierim 1976b, 870-872; Schenker 2001, 732; Kiuchi 1987, 25-31; Kiuchi 2003, 5-15; Burnside, 161-166; Kaiser, 354-356; Bieberstein / Bormann, 571; Grund, 1874). Auch unabsichtliche Vergehen gelten als Sünde, weil sie Schaden anrichten (vgl. etwa Num 22,34; 1Sam 14,24-44; 2Sam 6,6f; Hi 1,5). Unwissenheit und Torheit (s.o. 2.2.5.) sind in der Regel keine Entschuldigung. Willi-Plein (97, Anm. 4) zieht den treffenden Vergleich mit Umweltverschmutzung. Die Beurteilung erfolgt nach „objektiven Tatbestandsmerkmalen“ (Seebass 2009, 179).

3.4.2. Subjektive Kriterien: die Rolle der Intention

Dennoch wird das objektive Verschuldungsprinzip auch in der Hebräischen Bibel nicht strikt gehandhabt. Schon in alten Rechtstexten ist erkennbar, dass subjektive Tatbestände und Umstände einer Tat durchaus berücksichtigt werden und im Laufe der alttestamentlichen Literaturgeschichte an Bedeutung gewinnen (vgl. Koch 1977, 861; Knierim 1965, 67-73.239-251; Knierim 1976, 240-242.247; Knierim 1997, 86-89.108f; Kaiser, 352-362; Bieberstein / Bormann, 571). Sowohl im Straf- und Zivilrecht als auch im Kultrecht gibt es durchaus abgestufte Grade von Haftbarkeit (vgl. Schenker 2001, 732-734).

3.4.2.1. Bei Totschlag (Ex 21,12-14; Num 35,9-34; Dtn 4,41-43; Dtn 19,1-13; Jos 20,1-9) aber auch in anderen Fällen mit Todesfolge (Ex 21,28-32; Ex 22,2f), bei Körperverletzung (Ex 21,18f.22-25; Dtn 25,11f), Sexualdelikten (Dtn 22,23-27) und Falschzeugnis (Ex 20,16; Ex 23,1-3; Dtn 5,20; Dtn 19,15-21) ist das Bewusstsein einer Tat ein wesentlicher juristischer Aspekt (vgl. Botica, 9-49; Strawn 2015; Strawn 2015a). In den Totschlag-Gesetzen werden zusätzliche Indizien für die Feststellung von Vorsätzlichkeit angeführt: זיד zjd „unverschämt / böswillig handeln“; עָרְמָה ‘årmāh „Heimtücke“; צְדִיָּה ṣədijjāh „Hinterlist“; צדה ṣdh bzw. ארב ʼrb „auflauern“; שִׂנְאָה śinʼāh „Hass“ oder אֵיבָה ʼêvāh „Feindschaft“; der Gebrauch von Mordwerkzeugen; außerdem entlastende Indizien: בִּבְלִי־דַעַת bivli-da‘at „unwissentlich“, בְּלֹא רְאוֹת bəloʼ rəʼôt „ohne es zu sehen“. Ex 21,28-32; Dtn 22,8 berücksichtigen das Problem der Fahrlässigkeit.

3.4.2.2. Ähnliche Differenzierungen werden auch auf das theologische Sündenverständnis übertragen, wenn etwa von שְׁגִיאוֹת šəgîʼôt „Irrtümern“, נִסְתָּרוֹת nistārôt und עֲלֻמִים ‘ǎlumîm „verborgenen (Sünden)“ oder auf der anderen Seite vom זֵד zed „Frecher“, also dem mutwilligen Sünder, gesprochen wird (vgl. Ps 19,13f; Ps 90,8; Ps 119,10.21 u.ö.). In diesen Zusammenhang gehören weiterhin die naiven Sünden in Ez 45,20 (מִפֶּתִי mippætî); Gen 20,3-5; Gen 26,10, die irrtümlichen (שׁגה šgh) in Hi 6,24; Hi 19,4 und die „Sünden der (noch unwissenden) Jugend“ in Ps 25,7 (vgl. Cover, 35f; Strawn 2015, 440-443; Strawn, 2015a), auch das Motiv der göttlichen Prüfung von Herz und Sinn (z.B. 1Sam 16,7; 1Kön 8,39; Ps 139,1f.23; Jer 20,12; Hi 7,17f; Spr 21,2; 1Chr 29,17; vgl. Botica, 95-167). In Erzählungen des Pentateuch wird trotz Sünde, die zweifellos als „mit erhobener Hand“ zu klassifizieren ist (s.u. 3.4.2.3.), auf Fürbitte hin Sühne und Vergebung gewährt (Ex 32,30-35; Num 11,1f; Num 14,17-23; Num 16,20-35; Num 17,9-14) – wenn auch nicht straflos (s.u. 3.9.2.).

3.4.2.3. Auch die Diskussion um Sühnemöglichkeiten (→ Sühne) im priesterlichen Kultsystem zeigt die Tendenz, zwischen absichtlichen und unabsichtlichen Sünden zu differenzieren. Der alltägliche Opferkult bietet, streng genommen, nur für unabsichtliche Verfehlungen (בִּשְׁגָגָה bišəgāgāh: Lev 4,2.22.27; Num 15,26-29) Sühnemöglichkeiten.

Im Einzelnen bleibt jedoch fraglich, wo eine Tat zwischen „versehentlich“ (בִּשְׁגָגָה bišəgāgāh) und „demonstrativ“ (בְּיָד רָמָה bəjād rāmāh) konkret einzuordnen ist (vgl. zur Diskussion: Knierim 1976b, 870f; Crüsemann 1992, 364-374; Schenker 1997; Rendtorff, 149f.152f; Hieke, 234.243-245). Zwischen beidem „gibt es eine Lücke richterlichen Ermessens“ (Seebass 2003, 144). בְּיָד רָמָה bəjād rāmāh in Num 15,30 bedeutet nicht einfach „absichtlich“ oder „vorsätzlich“, sondern „öffentlich / demonstrativ“ und „schamlos“ wie in Ex 14,8; Num 33,3 (vgl. Schenker 1997, 171f; Schenker 2001, 337; Seebass 2003, 146f; Hieke, 243f; Crüsemann 1992, 371, spricht von einem „Trotzgestus“).

Der Grundsatz wird aber schon innerhalb des priesterlichen Systems durch Vorschriften für absichtliche Sünden in Lev 5,1; Lev 6,1-7 gemildert (vgl. Jenson, 158; Crüsemann 1992, 369); auch die Präzedenzfälle des „Entschuldigungsopfers“ in Lev 5,21f; sowie Lev 19,20-22 und Num 5,6f setzen bewusste Verfehlung voraus (vgl. Crüsemann 1992, 366-369; Schenker 1997; Seebass 2003, 144; Rendtorff, 206-208; Botica, 51-93).

Nach einer These von Milgrom (1976, 108f.118f; 1991, 301) wird durch Bekenntnis und Buße der Status der Tat verändert: Das → Sündenbekenntnis (Lev 5,5; Lev 16,21; Num 5,7; vgl. Lev 26,40) erscheint in diesem Zusammenhang als „ein kultrechtliches Mittel, um eine wissentlich begangene Sünde einer unwissentlich begangenen gleichzustellen und sie damit durch ein Opfer sühnbar zu machen“ (Rendtorff, 195). „Das Aussprechen der Verfehlungen reduziert ihr ‚Gewicht‘: Aus der mit ‚erhobener Hand‘ und mit voller Absicht begangenen – und daher durch keinen menschlichen (kultischen) Akt verzeihbaren – Sünde wird so der Klassifikation nach eine ‚aus Versehen‘…“ (Hieke, 588; vgl. Willi-Plein, 103; Strawn 2015, 440f; anders Crüsemann 1992, 369f; Janowski, 254-256; Gane, 298; Boda 2009, 65-67, die für absichtliche Vergehen keine Sühnemöglichkeit erkennen).

Der doppelte Sühneritus des → Versöhnungstages mit großem ḥaṭṭāʼt-Opfer und Sündenbock-Ritual schließt alle Arten von Sünden, ausdrücklich sogar פְּשָׁעִים pəšā‘îm, also bewusste Brüche der Rechtsordnung (s.o. 2.2.4.), in Schuldbekenntnis und Sühnehandlung ein (Lev 16,16.21). Der Versöhnungstag kann demnach auch bei schweren Fällen willentlicher Sünde, die im alltäglichen Opferkult als unsühnbar gelten, Sühne erwirken (vgl. Milgrom 1991, 1034.1043f; Crüsemann 1992, 365; Schwartz, 18f.20; Hieke, 244f.583f; anders Gane, 285-302: willentliche Sünde [פֶּשַׁע pæša‘] kann nur von JHWH in unverfügbarer Gnade vergeben werden; ähnlich Schwartz, 17-21: absichtliche Sünden werden nicht im ḥaṭṭāʼt-Ritus ausgelöscht, sondern nur in die Wüste evakuiert).

Die tastenden Versuche der priesterlichen Kulttheologie, die Sühnemöglichkeiten zu systematisieren, laufen gewissermaßen folgerichtig auf die spätere rabbinische Halacha zu, die zunehmend differenziert und für schwere und wissentliche Sünden weitere Sühnemöglichkeiten einräumt, die teilweise aber auch den Tod des Sünders einschließen (vgl. Crüsemann 1992, 370-374; Neusner, 210-220; Börner-Klein, 1896; Botica, 319-442; Stökl Ben Ezra, 46-50). In der rabbinischen Klassifizierung kommen als wichtige Kriterien זדון zādôn „Arroganz“, כוונה kǎwwānāh „Absicht“ und זימה zîmāh „Planung“ hinzu (vgl. Botica, 320-333). Wie auch schon in Qumran wird der Geltungsbereich von Sünden „mit erhobener Hand“ eingeschränkt (Anderson 1995; Strawn 2015, 444), außerdem die kāret-Strafe, die für absichtliche Sünden gilt, als Strafe „durch die Hand des Himmels“, d.h. als vorzeitiger Tod, uminterpretiert (vgl. Neusner, 221-225; Ta-Shma).

Fasst man den Befund zusammen, so zeigt sich im Sündenkonzept der Hebräischen Bibel „eine subjektive und objektive Dimension zugleich, die einander nicht beeinflussen. Subjektive Unschuld hebt objektiven Schaden nicht auf, und objektiver Schaden entsteht unter Umständen bei subjektiver Unschuld“ (Schenker 2001, 732).

3.5. Sünde und ihre Folgen bilden eine Einheit

Der innere Zusammenhang einer Tat und ihrer Folge wurde im alten Israel als ein der Welt innewohnendes Prinzip verstanden. Das Gute zahlt sich aus, Böses zeitigt schlimme Folgen. Dieser → Tun-Ergehen-Zusammenhang ist für den alttestamentlichen Sündenbegriff konstitutiv. Er spielt im Kontext aller wichtigen Sündenvokabeln eine Rolle (vgl. Koch 1992, 129-136, und s.o. 2.2.1.-2.2.4.). Bei עָוֹן ‘āwon ist er sogar im Begriff eingeschlossen (s.o. 2.2.3.). Die sündige Tat bildet eine Schuld-Strafe-Sphäre, die auf den Täter zurückwirkt und auch seine Umgebung, d.h. die Gemeinschaft, in der er steht (vgl. Gen 18; Num 16,35; Jos 7,24f; 2Sam 24,17), einschließlich der kommenden Generationen (Gen 9,25-27; 2Kön 24,3f; 1Sam 2,33f; 2Sam 12,13f), betrifft.

JHWH spielt dabei, je nach Schwerpunktsetzung, eine aktivierende, überwachende oder exekutive Rolle. Er kontrolliert, ob Tun und Ergehen übereinstimmen (vgl. פקד pqd „prüfend nachsehen“ in Ex 20,6; Dtn 5,10; Ez 34,7 u.ö.). Er „vervollständigt“ (שׁלם šlm Pi.) die sündige Tat, nämlich durch ein entsprechendes Ergehen (2Sam 3,39; Jer 51,24; vgl. Jer 18,20; Spr 13,21; Spr 20,22). Er lässt die Folgen einer Sünde auf den Täter „zurückkommen“ (שׁוב šwb Hif.: Ri 9,56f; 1Sam 25,39; 1Kön 2,44; Ps 54,7; Ps 94,23; vgl. 2Sam 16,8; Ps 28,4).

Allerdings hat JHWH die Macht, den Tat-Folge-Konnex in souveräner Entscheidung zu unterbrechen (Ex 20,5f; Ex 34,6f; Num 14,18; 1Kön 21,27-29; 2Kön 22,19f) oder außer Kraft zu setzen (vgl. Gen 8,21f; Gen 18,23-33; Gen 50,20; Jer 31,31-34; Jer 33,8; Jer 50,20; Ez 36,25; Hos 11,9; → Jona; auch Ez 18; Jer 31,29f; vgl. Kittel, 63; Knierim 1997, 94-101; Oeming 1999, 5-7).

3.6. Der materielle Charakter von Sünde: Sünde als Last und Befleckung

Im Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs entwickelt jede begangene Sünde eine verhängnisvolle Eigendynamik. Das Weiterwirken der Sünde kann dabei metaphorisch als Last oder Krankheit vorgestellt werden. Sünde bekommt in diesen Bildern einen quasi materiellen Charakter.

Sie sammelt sich an und ist auffindbar: Sünde wirkt noch Generationen weiter (vgl. Ex 20,5; Ex 34,7; Dtn 5,9; Hos 1,4; Jer 31,29; Ez 18,2; Klgl 5,7 und die Rede von den „Sünden [חַטֹּאת ḥaṭṭoʼt] Jerobeams [bzw. Manasses]“ (→ Jerobeam I.) oder der „Sündenschuld [עָוֹן ‘āwon] der Väter“). Es kann zwar dauern, aber am Tag der Rechenschaft wird Gott Verfehlung (חַטָּאת ḥaṭṭāʼt) aufsuchen und berücksichtigen (פקד pqd; Ex 32,34). Auch heimliche oder lange zurückliegende Sündenschuld (עָוֹן ‘āwon) wird er finden (Gen 44,16).

Sünde hat ein Gewicht: Verfehlung (חַטָּאת ḥaṭṭāʼt: Gen 18,20) und Sündenschuld (עָוֹן ‘āwon: Ps 38,5) lastet auf dem Sünder und kann zu schwer werden (כבד kbd; vgl. auch כֶּבֶד עָוֹן kævæd ‘āwon in Jes 1,4, außerdem Gen 4,13). Im apokalyptischen Szenario von Jes 24,19f bricht die ganze Erde unter dem Gewicht (כבד kbd) des Verbrechens (פֶּשַׁע pæša‘) zusammen. Auch in Jes 30,13 führt aufgetürmte Sündenschuld (עָוֹן ‘āwon) zum Zusammenbruch und begräbt die Sünder unter sich.

Sünde wächst an: Sündenschuld (עָוֹן ‘āwon, אַשְׁמָה ʼašmāh) kann einem über den Kopf wachsen (Ps 38,5; Esr 9,6). Irgendwann steht sie wie eine Mauer zwischen Gott und Mensch: Schuld (עָוֹן ‘āwon) und Sünde (חַטָּאת ḥaṭṭāʼt) trennen Israel von Gott, sodass er sein Volk nicht mehr erreichen kann (Jes 59,2). JHWHs Zorn über menschliche Verbrechen (פשׁע pš‘) wird zu einer Hülle, die kein Gebet mehr durchdringt (Klgl 3,42-44).

Auch im priesterlichen Kultkonzept, wonach Sünde Gottes gnädige Gegenwart verhindert, spielt die materielle Dimension sowohl von Unreinheit als auch von Sünde eine wichtige Rolle (vgl. Schellenberg 2014). Nach priesterlicher Theologie verunreinigt menschliches Fehlverhalten – sei es (Lev 16,16; Lev 20,3) oder rituelles (Lev 15,31; Num 19,20) – das Heiligtum (Lev 16,18-20) und das Land (Lev 18,24-27) und vertreibt Gott aus Israels Mitte.

Hier liegt der Grund, warum die Tora mit solcher Vehemenz gebietet, das Böse aus Israels Mitte zu entfernen. Etwa in der sakralrechtlich angedrohten Todessanktion mit der kāret-Formel, die – im Nif., also im passivum divinum – die Ausrottung (כרת krt) des Schuldigen anordnet (Gen 17,14; Ex 12,15.19; Lev 19,8; Num 9,13 u.ö.; vgl. Milgrom 1991, 457-460). Oder im Deuteronomium mit der sogenannten bi‘artā-Formel (Dtn 13,6; Dtn 17,7.12; Dtn 21,9 u.ö.), mit der Israel aufgefordert wird, das Böse aus seinem Lebensbereich zu „beseitigen“ und „wegzuschaffen“ (בער b‘r II Pi.; vgl. Ringgren 1973; Dohmen, 608; Rüterswörden, 224-230; Dietrich, 362-370). Im Hintergrund der drastischen Maßnahme steht eine Art „Krankheitsmodell des Bösen; das Böse verhält sich wie eine Infektionskrankheit, und man kann ihm nur wie einer Seuche beikommen, nämlich durch Absonderung“ (Rüterswörden, 228f). Der „Ansteckungsherd“ (Fahlgren, 127) muss beseitigt werden, damit nicht die ganze Gemeinschaft in Gefahr gerät. Die Strafe gilt also nicht dem persönlichen Unglauben oder der häretischen Gesinnung, sondern einem gemeinschaftsschädigenden Verhalten: der aktiven und ausdrücklichen Verführung anderer zum Abfall von JHWH (vgl. Rüterswörden, 224-230).

Die physische Vorstellung von Sünde als Last (laut Anderson 2009, 16, „by far the most productive one in the Hebrew Bible“) wird auch in Jes 5,18; Ez 4,4-6; Lev 16,21f und vor allem in der Wendung „Sündenschuld tragen“ in ihren verschiedenen Spielarten anschaulich.

נשׂא עָוֹן nśʼ ‘āwon bedeutet das Tragen der Sündenschuld auf den eigenen Schultern (z.B. Ex 28,43; Lev 22,9) oder das Wegtragen der Sündenfolgen auf den Schultern eines anderen, also das Abwenden der Schuldkonsequenzen durch Sühne (z.B. Ex 28,38; Lev 10,17; Lev 16,22; in diesem Sinne auch נשׂא פֶשַׁע nśʼ pæša‘ und נשׂא חַטָּאת nśʼ ḥaṭṭāʼt [s.o. 2.2.1.3.]; und vgl. Joh 1,29). Vgl. Schwartz; Sklar 2005, 20-23.88-99 (mit kritischen Modifizierungen); Anderson 2009, 15-26; Boda 2009, 57f; Schellenberg 2014, 170-172.

Wo Sünde als dingliches Objekt mit Masse und Gewicht vorgestellt wird (zur Metapher vgl. Röhser 1987, 29-39), kann sie auch nicht einfach subjektiv in einem rein geistigen Akt „vergeben“, sondern muss objektiv „entfernt“ (Mi 7,19; Ps 103,12), „weggetragen“ (נשׂא nśʼ; s.o.), „zertreten“ (Mi 7,19), aus dem Weg geräumt (Jes 38,17; zur Metapher vgl. Röhser 1987, 59-65) oder in der nur Gott eigenen Souveränität „zugedeckt“ (כסה ksh Pi.: Ps 32,1; Ps 85,3; Spr 10,12; Spr 17,9; Neh 3,37; zur Metapher: Röhser 1987, 81-89) werden.

Wo Sünde Krankheitscharakter hat (zur Metapher vgl. Röhser 1987, 73-89), bedarf sie der Therapie (Ps 51,3f.9.12.14) und Heilung (Ps 41,5; Ps 103,3; vgl. Jes 53,4f; Jer 3,22; Hos 14,5). Die krankhafte Befleckung (zur Metapher vgl. Röhser 1987, 39-48) muss wie Schmutz „abgewischt“ (מחה mḥh: Ps 51,3; Jes 43,25; vgl. Jer 18,23; Ps 109,14) und „abgewaschen“ (רחץ rḥṣ: Jes 1,16; Ps 73,13; Spr 30,12) oder wie Kleider „ausgespült“ (כבס kbs Pi.: Jer 4,14; Ps 51,4.9) bzw. wie Metall beim Schmelzen (vgl. Mal 3,3) „gereinigt“ (טהר ṭhr: Ps 51,4; Spr 20,9; זכה zkh: Jes 1,16; vgl. Ps 73,13; Ps 119,9; Hi 8,6; Hi 15,14; Hi 25,4; Spr 20,9) oder wie beim Reinigungsritual bei Aussatz (Lev 14) bzw. nach der Berührung mit Toten (Num 19) rituell „entsündigt“ (חטא ḥṭʼ Pi. und טהר ṭhr Pi.: Ps 51,9; vgl. Lev 16,30; Jer 33,8; Ez 36,25; Ez 37,23) werden (vgl. Kittel, 64f; Koch 1992, 138-140; Zenger, 50.52).

3.7. Der dynamische Charakter von Sünde: Sünde als beherrschende und ansteckende Macht

Obwohl die Hebräische Bibel in der Regel von Tatsünden („Sünden“ im Plural) handelt und anders als im Neuen Testament keine theologische Reflektion über „die Sünde an sich“ stattfindet, kann dennoch metaphorisch von Sünde als einer eigenmächtigen Größe gesprochen werden.

Im Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs entfaltet sie ihre unheimliche Wirkung. Zuweilen ist sie sogar als personifizierte Macht vorgestellt, die man nicht einfach abschüttelt: Sie findet ihre Verursacher (Num 32,23: חַטָּאת ḥaṭṭāʼt). Die bösen Taten (רָעָה rā‘āh) verfolgen die Sünder (Spr 13,21), umzingeln sie (Hos 7,2). Die Sündenfolgen (עֲוֹנוֹת ‘ǎwonôt) erreichen irgendwann ihre Verursacher und bringen Unheil über sie (Ps 40,13).

In Ps 36,2 hält die verbrecherische Sünde eine Rede (נְאֻם־פֶּשַׁע nəʼum pæša‘) und erhebt ihren Anspruch auf den Menschen, wie es sonst nur JHWH zusteht. Laut Ps 119,133 übt die böse Tat (אָוֶן ʼāwæn) Herrschaft aus. Ps 141,4 und Spr 21,10 sprechen von einem Suchtfaktor des Bösen (רֶשַׁע ræša‘ bzw. רַע ra‘). Die Auswirkungen auf den Sünder werden in Jes 53,5; Jer 33,24; Ps 6,2f; Ps 31,10f; Ps 32,2-4; Ps 38,2-11; Ps 51,3-14 als Krankheitssymptome beschrieben (vgl. Koch 1992, 139f; Ansberry, 48f). Sünde zeigt sich hier als destruktive, sich sozialer Kontrolle entziehende und mit juristischen Mitteln nicht zu belangende Macht (vgl. Knierim 1997, 89f).

Immer wieder wird vor Ignoranz der Sünde gegenüber gewarnt. Ob fremde Völker (Ex 23,33) oder ausländische Frauen (Neh 13,26), ob die Gesetzesübertretung von Einzelnen (Dtn 24,4) oder ganzer Generationen (Jer 32,35) – nicht „behandelte“ Sünde droht andere zu infizieren (חטא ḥṭʼ Hif.: „zur Sünde veranlassen“; zum Krankheitsmodell s.o. 3.6.). So werden Israels Könige nicht nur wegen ihrer selbst begangenen bösen Taten verurteilt, sondern auch und vor allem, weil sie ihre Untertanen mit hineingezogen und zum Sündigen verleitet haben (חטא ḥṭʼ Hif.: 1Kön 15,26.34; 1Kön 16,19; 2Kön 21,11.16 u.ö.). Auch im Hintergrund der stereotypen Wendung „Und die Israeliten taten weiter, was in JHWHs Augen böse war“ (Ri 3,12; Ri 4,1; Ri 10,6; Ri 13,1) klingt diese Vorstellung an: Sünde ist etwas, von dem man nicht so leicht loskommt. Durch Sündenschuld und Verbrechen kann man schließlich in Schuldsklaverei geraten (Jes 40,2; Jes 50,1; s.u. 3.8.).

Eine so verstandene Sünde bedarf nicht nur eines geistigen Aktes der „Vergebung“, sondern JHWH muss die Versklavten „befreien“ und „loskaufen“ (פדה pdh: Ps 130,8; גאל gʼl: Jes 44,22; Jes 48,20; Ps 103,3f; vgl. Koch 1992, 141-146; → Löser).

Zum tendenziell zunehmenden Machtcharakter der Sünde in der apokalyptischen zwischentestamentlichen Literatur vgl. Sacchi; Brand; zu der gleichen Tendenz im Neuen Testament vgl. Wolter 2005, 127-130; 2008, 33-41; speziell zur „Abstraktpersonifikation“ der Sünde bei Paulus vgl. Röhser 1987, 103-181; 2012.

3.7.1. Sündhaftigkeit und ethische Handlungsfähigkeit

Nach der im Alten Orient vorherrschenden Auffassung ist der Mensch von Natur aus ein Mangelwesen und deshalb auch anfällig für Sünde (vgl. Cover, 32-34; Kaiser, 361-370). Spuren dieses Denkens lassen sich auch in der Hebräischen Bibel nachweisen.

Auch außerhalb der biblischen Urgeschichte (Gen 2,7; Gen 3,19), in weisheitlich geprägten oder die Auseinandersetzung mit der Weisheit voraussetzenden Texten der Hebräischen Bibel, wird der Mensch als → Staub beschrieben (Ps 90,3; Hi 10,8f; Pred 3,19f u.ö.). Sein Leben ist vergänglich (Ps 89,47-49; Hi 4,19-21; 1Chr 29,15 u.ö.) und nichtig (Ps 39,6f; Pred 6,12 u.ö.). „Unrein“ von Geburt an (Hi 15,14-16; Hi 25,4-6 u.ö.) oder schuldbeladen „von Jugend auf“ (Gen 8,21; Jer 3,24f u.ö.) lebt faktisch niemand sündenfrei (1Kön 8,46; Jer 13,23; Ps 143,2; Spr 20,9; Pred 7,20; 2Chr 6,36). Daher ist der Mensch auf die Vergebungsbereitschaft Gottes angewiesen (Ps 39,5-7.12-14; Ps 103,3.8-18; Ps 130,3f; Hi 14,1-6 u.ö.; → Gnade). Weil sein „Herz“, sein Lebenszentrum, von Bösem pervertiert ist (Gen 6,5; Gen 8,21; Jer 7,24; Ps 140,3 u.ö.), bedarf es letztlich einer Herzensumwandlung (Dtn 30,6; Jer 31,33f; Ez 36,26; Ps 86,11; → Herz) und Neuschöpfung (vgl. die Stichworte חָדָשׁ ḥādāš in Ez 11,19f; Ez 36,26f und ברא brʼ in Ps 51,12).

Hier kommt die alttestamentliche Sündenvorstellung dem dogmatischen Konzept von Personsünde, die im Unterschied zu Tatsünden, den ganzen Menschen prägt (vgl. Krötke, 1868) und als Grundsituation des Menschseins gilt (vgl. a.a.O., 1873), zumindest nahe. Im Lichte dieser pessimistischen Einschätzung des Menschen sind Sünden nicht zufällige Einzelakte, sondern „Manifestationen einer menschlichen Beschaffenheit“ (Knierim 1997, 85).

Dennoch wird nirgendwo der Schöpfer für die menschliche Fehlbarkeit verantwortlich gemacht. Die kritische Auseinandersetzung mit der schwächlichen und störanfälligen Konstitution des Menschen geht über eine allgemeine Vergänglichkeitsklage, das Einklagen von Nachsicht (Hi 6,10; Hi 10,4.9) und hier und da ein Aufbegehren gegen zu strenge Maßstäbe in der Beurteilung des Menschen (Ps 39,5-7.12-14; Ps 89,47-49; Hi 14,1-6) nicht hinaus (vgl. Cover, 33f).

Trotz der defizitären Verfassung des Menschen machen die biblischen Autoren an seiner moralischen Verantwortlichkeit keinerlei Abstriche (vgl. Cover, 34). Die Hebräische Bibel geht überall – letztlich auch bei → Hiob und → Kohelet – von der moralischen Handlungsfähigkeit und Verantwortung des Menschen aus (vgl. Newsom). → Recht und → Ethik setzen mit großer Selbstverständlichkeit voraus, dass der Mensch moralisch Gutes und Böses zum einen erkennen und zum anderen mit Hilfe der → Tora zwischen beiden wählen kann: Die biblische → Weisheit fordert auf, den guten Weg, der zum Leben führt (Ps 37,27; Spr 2,9.19f; Spr 5,6 u.ö.), einzuschlagen und den bösen, der im Tod endet (Ps 36,5; Ps 119,101; Spr 2,12; Spr 4,14 u.ö.), zu verlassen. → Deuteronomium und → Propheten mahnen, das Gute statt des Bösen zu wählen (Dtn 4,40; Dtn 30,15; Am 5,4.14 u.ö.).

3.7.2. „Sündenfall“ und „Ursünde“

Die christliche Dogmatik hat versucht, das Phänomen der allgemeinen Sündhaftigkeit als Folge der Verfehlung des ersten Menschenpaares im Garten Eden zu erklären (Gen 3; → Paradieserzählung). Die Anfänge dieser Deutung gehen auf zwischentestamentliche und neutestamentliche Autoren zurück (Sir 25,24 [Lutherbibel: Sir 25,32]; Vita Adae et Evae 32,2; syrBar 48,42f; 4Esr 7,118; Röm 5,12), wobei auch dort nie die individuelle Verantwortung der nachgeborenen Sünder aufgegeben wird (→ Sündenfall, 4.2): Auch Röm 5,12-19 hält daran fest: Sünde ist zwar zuerst durch Adam in die Welt gekommen, aber alle Nachkommen haben eigenen Anteil an ihr. In der Hebräischen Bibel wird nirgendwo Sünde auf das Versagen des ersten Menschenpaares zurückgeführt.

Ps 51,7, an dem → Augustin seine Erbsündenlehre entwickelt hat (vgl. Suda), ist in seiner Bedeutung umstritten. Der drastische Ausdruck יחם jḥm (sonst nur Gen 30,41; Gen 41,10 für die Brunst bei Tieren) scheint die → Sexualität der Mutter als sündig zu bewerten (vgl. Crüsemann 2003, 188). In alten Auslegungen wurde der Psalm deshalb auch Salomo zugeschrieben (vgl. ebd.). Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass יחם jḥm hier neutral als „empfangen“ verstanden worden ist. Die Adverbialbestimmungen בְּעָווֹן bə‘āwon und בְּחֵטְא bəḥeṭʼ können auch einfach „im Zustand von Schuld / Sünde“ (Zenger, 41) bedeuten. Sie machen dann weder eine Aussage über Zeugung und Geburt noch über die Mutter, sondern betonen, dass der Mensch schon vom ersten Augenblick seiner Existenz an in Schuldzusammenhänge und Sündenverhängnisse verstrickt ist (vgl. ebd.; Pfeiffer, 298f).

Ob Gen 3 von einem „Sündenfall“ redet, ist umstritten. Sündenvokabeln tauchen in der biblischen Urgeschichte erst in Gen 4,1-16 auf (Gen 4,7: חַטָּאת ḥaṭṭāʼt; Gen 4,13: עָוֹן ‘āwon). Dem Konzept „Sünde“ entspricht Gen 3 aber dennoch, weil die Tat der Menschen als Gebotsmissachtung und Vertrauensbruch, der Beziehungsstörungen nach sich zieht, dargestellt wird. Als „Ursünde“ ließe sich das Geschehen im Paradiesgarten nur insofern interpretieren, als man im Misstrauen gegen die Güte des Schöpfers, das die → Schlange sät, den Urgrund menschlichen Fehlverhaltens sehen könnte. Sie wäre „Ursünde“ im exemplarischen, typologischen, nicht im genetischen, protologischen Sinne, eher peccatum radicale als peccatum originale.

3.8. Ökonomisierung des Sündenkonzepts: Sünde als ausstehende Schulden

Ökonomische → Verschuldung ist für die alttestamentliche Ethik und Theologie ein höchst brisantes Thema, das sie mit einer ausgeprägten Terminologie beschreiben und auf deren Mechanismen sie mit entsprechenden Gegenmaßnahmen antworten (vgl. Kessler; Crüsemann 1992; Kegler; Anderson 2009, 29-31; Schäfer-Lichtenberger / Schottroff; Niemann). Im Zusammenhang mit Sünde und Vergebung spricht die Hebräische Bibel dagegen nur selten von Schulden und Schuldenerlass. Noch sind die anderen Metaphern (Last, Krankheit, s.o. 3.6. und 3.7.) vorherrschend. In einigen nachexilischen Texten taucht aber bereits das neue ökonomische Sündenmodell auf (vgl. Anderson 2009, 43-89): Jes 40,2; Jes 50,1 beschreiben das Ende des Exils als → Loskauf aus Schuldsklaverei (→ Sklaverei), in die Israel wegen seiner Sünden geraten ist. Lev 26,34f.43-45; 2Chr 36,21 interpretieren das Exil als Frondienst, durch den Schulden zurückerstattet werden, die wegen der vernachlässigten Sabbatjahre aufgelaufen sind. Dan 9,24 spricht von Maß und Frist der Verschuldung, die voll geworden bzw. abgelaufen sind.

Die Wandlung in der Sündenmetaphorik wird auch ersichtlich, wo Gerechtigkeit (צדק ṣdq), der klassische Gegenbegriff zu Sünde (s.o. 3.1.), als anrechenbarer Verdienst vorgestellt wird (Dan 4,24; vgl. Spr 10,2; Spr 11,4; Spr 19,17; dazu Anderson 2009, 135-151). Dieselbe Logik steht schon hinter der Berufung auf die Verdienste der Glaubensväter → Abraham (Gen 26,24; 2Kön 13,23) oder → David (1Kön 11,12f.32.34.39; Jes 37,35; Ps 132,10; 1Chr 17,19 u.ö.; dazu Oeming 1999a, der auch das Lösegeld in Hi 33,23 in diesem Kontext verstehen will). Ökonomische Kategorien setzt auch die Rede vom Bezahlen (שׁלם šlm Pi.) von Gelübden an Gott voraus (Ps 22,26; Ps 50,14; Ps 56,12 u.ö.; vgl. Anderson 2009, 51-54; Ansberry, 49). Schließlich gehört auch das Motiv vom Aufschreiben der Sünde in himmlischen Büchern in diesen Zusammenhang (Jes 65,6f; vgl. Jer 17,1; Dan 7,10; äthHen 98,7f; Jub 30,17-23; 4Esr 6,20; Apk 20,12; zur Metapher vgl. Röhser 1987, 48-58).

In nachalttestamentlicher Zeit werden Schuld und Schulden dann sprachlich und konzeptionell umfassend miteinander verbunden. Auf dem Umweg über das Aramäische, wo חובא ḥôvāʼ zum Fachterminus für rechtliche und finanzielle Verpflichtungen aufsteigt, wird die Wurzel חוב ḥwb in nachalttestamentlicher Zeit zu einer wichtigen Sündenvokabel. Bei den Rabbinen bedeutet חוב ḥwb / חיב ḥjb „schuldig sein“, nicht nur im ökonomischen und juristischen Sinn, sondern auch vor Gott, חַיָּב ḥajjāv dementsprechend „Schuldner / schuldig“, חוֹב ḥôv und חוֹבָה ḥôvāh „Schuld“; der Gegensatz ist זכה zkh „schuldlos / frei sein“, זַכָּי zakkāj „schuldlos / frei“ (vgl. Hauck, 561; Crüsemann 1992, 92f).

Die ökonomische Metapher prägt das Konzept „Sünde“ im Frühjudentum und im Neuen Testament: In Qumran, anderen frühjüdischen und rabbinischen Quellen sind Sünde und Schuld in finanztechnischen Kategorien vorgestellt (vgl. Leutsch, 126-131; Anderson 2009, 95-107). Die Metapher von Schulden, die den Schuldner belasten und nach Rückzahlung verlangen, und vom Loskauf aus Schuldsklaverei verdrängt die alttestamentliche Vorstellung von Sünde als materieller Last oder krankheitsähnlicher Befleckung (vgl. Anderson 2009).

Damit wird der Zusammenhang von theologischer und sozialer Sünde betont: Sündenvergebung und soziale Gerechtigkeit, die im Schuldenerlass ihren Ausdruck findet, werden zusammengehalten (vgl. Schäfer-Lichtenberger, 514; Crüsemann 1992; → Verschuldung, 3.). Dies ist auch für das neutestamentliche Sündenkonzept prägend (vgl. Wolter 2005, 120f; Wolter 2008, 19-21; Anderson 2009, 31-33): Hinter ὀφείλημα opheílēma in Mt 6,12 steht ein aramäisches Original חובא ḥôvāʼ (vgl. Targum Onqelos zu Ex 34,9 und Targum Neofiti zu Ex 32,32; Ex 34,7.9; dazu Wolter 1982; Crüsemann 1992, 92f; Böhler). Auch die Begriffe ὀφειλέτης opheilétēs bzw. ὀφείλειν opheílein in Mt 18,23-35 spiegeln die konzeptionelle Verbindung von Schuld und Schulden (vgl. Leutzsch).

Bei den Rabbinen (aber vgl. schon Spr 10,2; Spr 11,4; Spr 19,17; Sir 3,14f [Lutherbibel: Sir 3,16f]; Sir 29,9-13 [Lutherbibel: Sir 9,12-17]; Tob 4,5-11; Mt 6,19f; Mt 25,34-36; Lk 12,21) wird Almosengeben (צְדָקָה ṣədāqāh) zum Inbegriff für Gerechtigkeit, die als Verdienst bei Gott angerechnet wird (vgl. Anderson 2009, 135-151). Ökonomische Kategorien wie Verdienst und Schulden bestimmen die Sünden- und Sühnemetaphorik (vgl. a.a.O. 95-151; Graves, 141-147).

3.9. Gegenmittel zur Behandlung von Sünde in der Hebräischen Bibel

Die Hebräische Bibel kennt ein großes Spektrum an Gegenmitteln gegen Sünde (vgl. Boda 2009): präventive wie Belehrung, auch unter Androhung von Sanktionen, und retrospektive, wiedergutmachende, sei es durch Opfer, durch Ausgleich mit dem Geschädigten, Bestrafung des Täters oder einfach durch → Gnade und Vergebung von Seiten des Geschädigten. In allen Varianten von Wiedergutmachung geht es um ein aktives Ausräumen von Sündenschuld (s.o. 3.6. zu den Metaphern „Wegtragen“ einer Last, „Abwaschen“ einer Befleckung, „heilen“ und „reinwaschen“ einer Krankheit).

3.9.1. Sühne

Im dynamistischen Wirklichkeitsverständnis der Hebräischen Bibel hinterlässt jede Sünde eine Belastung des Täters und Schäden im Gemeinschaftsgefüge, die beseitigt werden müssen. Sündenschuld muss kultisch entfernt oder materiell beglichen werden. Die Beziehungsstörung muss durch Ausgleichsleistungen, die der Befriedigung des Geschädigten dienen, behoben werden. Die Beziehung zu Gott wird wiederhergestellt durch → Sühne und / oder Vergebung. Im zwischenmenschlichen Bereich spricht man von → Versöhnung. Beide Bereiche berühren sich im Konzept einer כֹּפֶר kofær-Zahlung, die vom Geschädigten (Gott oder Mensch) als Ausgleich für den erlittenen Schaden akzeptiert wird und ihn versöhnlich stimmt (vgl. Schenker 2001; Sklar 2005).

Rituell vollzogene – und damit in altorientalischer Sicht wirkkräftig dargestellte – Sühne betrifft nur das Gottesverhältnis: dem Sünder wird sein verwirktes Leben geschenkt. Zwischenmenschliche Versöhnung macht sie nicht unnötig, juristische Strafe und auch andere Konsequenzen der Tat hebt sie nicht auf (s.u. 3.9.2.) .

3.9.2. Vergebung

Daneben berichtet das Alte Testament aber auch immer wieder über JHWHs unverdiente und überraschende Vergebung. Sein einseitiger Bund und unkonditionierte Gnade kommen an zentralen Stellen im → Pentateuch zur Sprache (Gen 8,21f; Gen 9,1-17; Ex 32-34). In seiner Freiheit kann JHWH über Treubrüche hinwegsehen (עֲבֹר עַל־פָּשַׁע ‘over ‘al pæša‘) und Sündenschuld auf seinen eigenen Schultern wegtragen (נשׂא עָוֹן nśʼ ‘āwon [s.o. 3.6.]: Mi 7,18).

Die Spitzenaussage von der → Reue Gottes zeigt JHWH als „beweglichen Gott“ (vgl. Döhling), der aus Liebe zu seinem Volk von der Strafverfolgung absieht und Gnade vor Recht gehen lässt: JHWH kann bereits vollzogenes Strafgericht „bereuen“ (נחם nḥm Nif.) oder in innerlicher Bewegung von beabsichtigtem Unheil (רָעָה rā‘āh) Abstand nehmen (z.B. Ex 32,12.14; 2Sam 24,16; Jer 42,10; Jo 2,13; Jon 3,10; Hos 11,8; vgl. Gen 8,21).

JHWHs Vergebung (סלח slḥ) ermöglicht einen Neuanfang nach der Katastrophe des Exils (Jer 31,34; Jer 33,8; Jer 50,20; vgl. 1Kön 8,30ff; 2Chr 6,21ff). Vergebung ist JHWHs Antwort auf Fürbitte (Ex 10,17; Ex 32,32; Ex 34,9; Num 14,19f; 1Sam 7,5f; 1Kön 8,30ff; Dan 9,19 u.ö.), Buße (Jes 55,7; Jer 5,1; Jer 36,3; 2Chr 7,14) und Sühneriten (vgl. die Formel וְכִפֶּר wəkhippær … וְנִסְלַח wənislaḥ: Lev 4,20; Lev 5,10; Lev 19,22; Num 15,25.28 u.ö.; dazu Janowski, 251-254). Nach Aussage später Texte gehört sie zu seinem Wesen (Ps 86,5; Ps 103,3; Jes 55,7; Dan 9,9; vgl. Levin, 744).

Allerdings heißt Vergebung durch Gott nicht unbedingt Straffreiheit (Ex 32,30-35; Num 11,1f; Num 12,14f; Num 14,17-23; Num 16,20-35; vgl. Grund, 1875). Mit der Verschonung des Täters ist einmal angerichtetes Unheil nicht einfach aus der Welt (vgl. 1Sam 12,13f und dazu Butting). „Vergebene Sünde bedeutet, daß sie als vergeben erinnert wird, nicht, daß die Vergangenheit vergessen ist oder vergessen werden muß“ (Knierim 1997, 106; vgl. Kittel, 63).

Ob Vergebung gewährt wird, ist die souveräne Entscheidung Gottes (vgl. die negativen Bescheide in Dtn 29,19; 1Sam 3,14; 2Kön 24,4; Am 7,7f; Am 8,1f; Lev 19,1); das gilt auch für die Sühneriten, die auf Vergebung zielen (zur kippær-nislaḥ-Formel s.o.; vgl. Levin, 743f; Grund, 1875).

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Abbildungsverzeichnis

  • Hebräische Sündenvokabeln. © Jörn Kiefer

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