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(erstellt: Januar 2012)

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Falle; → Jagd

1. Realien

Netze werden vor allem bei der Jagd und beim Vogel- und Fischfang benötigt. Das Hebräische und Griechische kennen eine Vielzahl von Fachausdrücken, entsprechend der jeweiligen Verwendung:

1.1. Das vertikal aufgerichtete Stellnetz (hebr. מִכְמָר mikhmār; Jes 51,20; Ps 141,10) diente zum Fang größerer Tiere, wie z.B. von → Hirschen. Die Tiere wurden in das Netz getrieben und verfingen sich in den engen Maschen (vgl. Abb. 1). Eine andere Art von Stell-Netzen fand beim Wachtelfang Verwendung (→ Wachtel).

1.2. Das aus Flachs hergestellte Zugnetz (hebr. רֶשֶׁת ræšæt; Abb. 2) wurde für die Jagd auf Vögel verwendet (Hos 7,12; Spr 1,17). Es wurde meist an Orten mit dichter Vegetation aufgestellt und mit einem kräftigen Ruck zusammengezogen, sobald Vögel, angelockt durch einen Köder, sich zwischen den Flügeln des Netzes niedergelassen hatten.

ræšæt kann auch andere Formen von Fangnetzen bezeichnen, so einerseits ein in geringem Abstand vom Boden gespanntes Netz, in dem sich kleinere Tiere und Menschen verfangen konnten (vgl. Hi 18,8; Ps 9,10 u.a.), aber auch das Stellnetz (s. 1.1.) für größeres Wild (z.B. Löwen Ez 19,8; Ez 32,3). Auch hebr. מְצוּדָה mәṣûdāh und מָצוֹד māṣȏd (Ez 12,13; Ez 17,20; Hi 19,6; Pred 7,26) meinen das bei der Jagd oder beim Fischfang verwendete Fangnetz.

1.3. Viele → Vögel galten als rein und durften gegessen werden (Dtn 14,11). Entsprechend gab es verschiedenartige Vorrichtungen zum Vogelfang, z.B. das Klappnetz (hebr. פַּח paḥ, Abb. 4), das aus zwei gebogenen Rahmen, die jeweils mit einem Netz ausgespannt sind, bestand. Diese halb aufgeklappte Falle wurde mit einem Köder versehen. Die beiden Hälften schossen in die Höhe und klappten zu, sobald sich der Vogel auf das am Boden liegende Netz setzte (Spr 7,23; Hos 9,8; Am 3,5; Ps 124,7 u.ö.).

1.4. Das hebräische Wort שְׂבָכָה śәbākhāh (Hi 18,8) bezeichnet ein weitmaschiges Flechtwerk aus Baumästen, das für den Vogelfang Verwendung fand.

1.5. Auch beim Fischfang wurden Netze verwendet. Belegt sind

a) das Wurf- oder Rundnetz (griech. ἀμφίβληστρον amphiblēstron; hebr. vermutlich מִכְמֶרֶת mikhmæræt: Jes 19,8; Hab 1,15f). Die Fischer warfen dieses Netz im Wasser stehend aus. Wegen der am Rand befestigten Gewichte sank es schnell ab und konnte dann mithilfe der in der Mitte des Netzes angebrachten Schnur wieder zusammengezogen werden (Mt 4,18ff).

b) das Schleppnetz (hebr. חֵרֶם ḥeræm; griech. σαγήνη sagēnē), das eine große Fläche bedeckt. Während seine eine Längsseite, die mit Gewichten beschwert ist, absinkt, sind an der anderen Kork oder Holz befestigt, so dass sie schwimmt. Ein solches Schleppnetz wird mit dem Boot ausgebracht und dann an Land gezogen (Ez 32,3; Hab 1,15, vgl. Joh 21,8). Mit dieser Fangmethode können viele und verschiedenartige Fische gefangen werden (Mt 13,47). Am Schwersten war das Herausziehen des Netzes, weil hier einerseits die Gefahr bestand, einen Teil des Fanges zu verlieren, andererseits konnten die Netze bei reichem Fang reißen (Lk 5,6; Joh 21,6ff). Nach dem Fischen wurden die Netze (griech. δίκτυον diktyon ist der Allgemeinbegriff) gewaschen (Lk 5,2) und auf Felsen getrocknet (Ez 26,5.14), beschädigte Netze wurden ausgebessert (Mt 4,21).

2. Metaphorik

Im Spannen und Auslegen von Netzen zeigt sich eine besondere Hinterlist und Tücke, der das Opfer in der Regel hilflos und unausweichlich anheimfällt. Daher wird in metaphorischen Zusammenhängen gerne auf das Netz Bezug genommen. So erfüllt sich das Geschick der Menschen mit der gleichen Unberechenbarkeit wie beim Vogel oder Fisch ihre Gefangennahme in Falle oder Netz (Pred 9,12).

Der Beter der Klagepsalmen dagegen bezeichnet mit dem Bild des Netzes die gegen ihn gerichteten Machenschaften seiner Feinde (Ps 10,9; Ps 35,7; Ps 57,7; Ps 140,6; Ps 141,9; Ps 142,4; vgl. bezogen auf Propheten Hos 9,8; Jer 18,22; vgl. dazu Riede 2000, 346ff). Angesichts solcher Bedrohung kann er nur von JHWH Hilfe erwarten, der den Fuß des Beters aus dem Netz zieht (Ps 25,15; Ps 31,5). Daneben findet sich auch die Hoffnung, dass die Tat zum Täter zurückkehrt und die Feinde bzw. Frevler sich in ihrem eigenen Netz verfangen (Ps 35,8; vgl. Ps 9,16; Ps 141,10; Hi 18,8f; zu Ps 69,23 vgl. Riede 2009, 158ff).

Mehrfach wird JHWH als Jäger beschrieben, der sein Netz auswirft, um Beute zu machen (Hos 7,12), ein Bild, das sich in Zusammenhang mit dem Untergang Judas / Jerusalems 587 v. Chr. auf die Gefangennahme → Zedekias (Ez 12,13; Ez 17,20) oder auf Jerusalem, das zu Fall gebracht wurde, bezieht (Klgl 1,13). Dem mit einem Löwen und einem Krokodil verglichenen Pharao wird ein ähnliches Schicksal angekündigt (Ez 32,3).

Mit einem Netz, das zu Fall bringt, werden die Führungsgruppen in Israel, die mit List und Tücke gegen das Volk vorgehen, verglichen (Hos 5,1), ferner Schmeichler (Spr 29,5), aber auch fremde Völker, sofern sich Israel mit diesen verbindet (Jos 23,13). Bekannt ist auch die Rede von einer Frau, die einen Mann in ihr Netz ziehen will (Sir 9,3; vgl. Pred 7,26). Ein ausgespanntes oder mit einem Köder versehenes Netz, das nicht gut genug getarnt ist, ist unnütz, wenn es der Vogel entdeckt. Dieses Bild wird Spr 1,17 aufgenommen, um den Schüler darauf hinzuweisen, dass er dümmer ist als ein Vogel, wenn er sich Gewalttätern anschließt, obwohl er von seinem Lehrer auf die von diesen ausgehenden Gefahren aufmerksam gemacht wurde.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Biblisch-historisches Handwörterbuch, Göttingen 1962-1979
  • Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart u.a. 1973ff
  • Lexikon der Ägyptologie, Wiesbaden 1975-1992
  • Biblisches Reallexikon, 2. Aufl., Tübingen 1977
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 2. Aufl., Stuttgart u.a. 1992
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003

2. Weitere Literatur

  • Bodi, D., The Book of Ezechiel and the Poem of Ezra (OBO 104), Freiburg (Schweiz) / Göttingen 1991, bes. 162-182
  • Dalman, G., Arbeit und Sitte in Palästina VI: Zeltleben, Vieh- und Milchwirtschaft, Jagd, Fischfang, Gütersloh 1939
  • Keel, O., Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Am Beispiel der Psalmen, Göttingen 5. Aufl. 1996
  • Osten-Sacken, E. v.d., Hürden und Netze, MDOG 123 (1991), 133-148
  • Riede, P., Im Netz des Jägers. Studien zur Feindmetaphorik der Individualpsalmen (WMANT 85), Neukirchen-Vluyn 2000
  • Riede, P., „Du bereitest vor mir einen Tisch“. Zum Tischmotiv in den Psalmen 23 und 69, in: ders., Schöpfung und Lebenswelt. Studien zur Theologie und Anthropologie des Alten Testaments (MThST 106), Leipzig 2009, 151-165, bes. 158ff
  • Sarhage, D., Fischfang und Fischkult im alten Ägypten, Mainz 1998
  • Scheftelowitz, I., Das Schlingen- und Netzmotiv im Glauben und Brauch der Völker (RVV XII/2), Gießen 1912

Abbildungsverzeichnis

  • Großwildjagd mit Stellnetz (Relief im Palast Assurbanipals in Ninive; 7. Jh.). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Vogeljagd mit einem Zugnetz, das mit Lockfutter ausgelegt und schnell zusammengezogen wurde, wenn sich Vögel darauf niedergelassen hatten. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Vogeljagd mit Klappnetz (Wandmalerei in Benī Ḥasan, Ägypten; Mittleres Reich). © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
  • Fischfang mit dem sog. Schlepp- oder Wadennetz. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

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