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Godly Play/Gott im Spiel

(erstellt: Februar 2018)

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1. Herkunft und Adaption

Godly Play ist der Name eines Konzeptes spiritueller Bildung, das Impulse aus der Montessori-Pädagogik mit christlich-religiösen Inhalten verbindet. Das Konzept wurde von dem US-amerikanischen Priester der Episkopalkirche und Montessori-Pädagogen Jerome Berryman seit ca. 1970 entwickelt, vor allem als Konzept für die Sonntagsschule (Berryman, 1995;2002-2012;2009;2013).

Seit 2003 ist Godly Play auch im deutschsprachigen Raum, trotz aller religionskultureller Unterschiede, zunehmend bekannt geworden. Anscheinend kommt das Konzept einer spezifischen Bedürfnislage in der hiesigen Praxis religiöser Bildung entgegen. Im Kern dürfte es dabei wohl um die individuell-freiheitliche und lebensgeschichtlich-berührende Qualität der Begegnung und Auseinandersetzung mit sinnstiftender Tradition gehen, mit bibeldidaktischem Akzent (→ Bibeldidaktik, Grundfragen). Was in einem Godly Play-Prozess geschieht, berührt nicht nur die Kinder bzw. die jeweils beteiligte Gruppe aus Jugendlichen, Erwachsenen oder Seniorinnen und Senioren, sondern ebenso die Mitarbeitenden. In theoretischer Hinsicht fügt sich das Konzept in die derzeitigen Diskurse zur → Kindertheologie und zur spirituellen Relevanz religionspädagogischer Praxis ein (Beispielsweise die Jahrbücher für Kindertheologie, insbesondere Bucher, 2007;2013).

Um die Qualitätssicherung und Adaption im deutschsprachigen Raum kümmert sich seit 2004 ein gemeinnütziger Verein (Godly Play deutsch e.V.). Er betreibt die Website www.godlyplay.de, verantwortet zertifizierte Fortbildungen und organisiert Fachtagungen.

Deutsche Veröffentlichungen umfassten zunächst Übersetzungen (ein Konzeptband sowie drei Bände mit Darbietungen, Berryman, 2006-2007). 2008 folgte ein Sammelband mit kritischen Analysen und vertiefenden Praxisbeiträgen aus deutscher Sicht (Steinhäuser, 2008). Im Ergebnis der Gespräche über notwendige Adaptionen erscheinen 2018 unter dem Namen Gott im Spiel ein „Handbuch für die Praxis“ (Kaiser/Lenz/Simon/Steinhäuser, 2018) und zwei Bände mit neu entwickelten Darbietungen (Steinhäuser, 2018). Gott im Spiel versteht sich nicht als abgeschlossenes Konzept, sondern sucht den kontinuierlichen Dialog mit der Religionspädagogik und Praktischen Theologie im Zusammenspiel mit den Rahmenbedingungen der unterschiedlichen Praxisfelder in Gemeinde und Schule, in der Erwachsenenbildung oder der Klinikseelsorge.

Der folgende Lexikonartikel kann die eigentümliche Erfahrungsqualität eines miterlebten Godly Play/Gott im Spiel-Prozesses nicht ersetzen. Behelfsweise Anschauungen liefert ein 20-Minuten-Film „Was ist Godly Play“ unter www.godlyplay.de.

2. Voraussetzungen und Intentionen

Bei Godly Play/Gott im Spiel geht es darum,

  • von den Kindern auszugehen. Gott im Spiel ist insofern „kindgemäß“, als dass es Voraussetzungen schaffen möchte, damit die Kinder in ihrer Erschließung von Gott und Welt selbst Themen finden, Bedürfnisse einbringen, Schwerpunkte setzen und Gestaltungsformen entwickeln können.
  • dass die Kinder existentiellen Grundbestimmungen ihres Lebens (Freiheit und Tod, Sinn und Gerechtigkeit, Herkunft und Zukunft, Aufgabe und Beziehung) auf die Spur kommen und sich mit ihnen auseinandersetzen können. Die Darbietungen bringen alltägliche Gewissheiten, Beweggründe und Fragen so ins Spiel, dass die Kinder zur emotionalen Vertiefung wie auch zur kognitiv-kritischen Auseinandersetzung eingeladen werden.
  • den Kindern Inhalte der jüdisch-christlichen Tradition als eine Hilfe für ihre je eigenen spirituellen Suchprozesse anzubieten. Zentral hierfür ist das Bild eines zugewandten und nahekommenden, in Jesus Christus verlässlich begleitenden Gottes.
  • dass die Kinder mithilfe der jüdisch-christlichen Tradition eine Sprache finden, um ihre spirituellen Empfindungen und existentiell wichtigen Fragen sowohl verbal als auch nonverbal ausdrücken zu können.
  • den Kindern Wertschätzung und Respekt entgegenzubringen. Die konkreten Prozesse bieten Raum für Individualität, aber sie sollen auch die jeweilige Gruppe als eine tragende Struktur spürbar werden lassen. Diese Gemeinschaftserfahrungen beziehen sich über die jeweilige Gruppe hinaus auch auf die Familien der Kinder und die Kirche (in einem weiteren, auch historischen Sinn).

Insgesamt kann man sagen: Gott im Spiel eröffnet Spannungsfelder zwischen einer religiös geprägten und einer persönlichen Sprache, zwischen Beheimatung und Freisetzung. Alles dient dem Ziel, dass die Kinder einen je eigenen, belastbaren Lebensglauben entwickeln. Mit diesem Begriff ist zum einen ein Zutrauen in den Sinn des Lebens, ein Vertrauen auf Begleitung im Leben und ein Selbstvertrauen auf das eigene So-Sein und die eigenen Fähigkeiten gemeint. Zum anderen deutet der Begriff Lebensglauben auf Gott als eine Zuverlässigkeit hin, die diesen Glauben trägt.

3. Konzeptionelle Merkmale

3.1. Ein geschützter Raum

Die äußerliche Raumgestaltung ist eines der einprägsamsten Merkmale von Gott im Spiel. Das folgende Schema gibt eine Übersicht.

Godly Play 1

Niedrige, offene Regale ringsum halten Geschichten- sowie Kreativmaterialien in Augenhöhe bereit. Wenn sich die Kinder im Raum bewegen, sind sie von Geschichten umgeben (,offene Bibel‘), die sie nach und nach kennen und in Gebrauch zu nehmen lernen. Die Materialien ,repräsentieren‘ durch die mit ihnen erzählten Geschichten, unterschiedliche Erfahrungen mit der Nähe und Ferne Gottes. Sie sind so gestaltet, dass sie die Kinder zum selbstständigen Spielen einladen – ästhetisch schön, Neugier weckend, vielfältige Verwendung erlaubend, haltbar, ökologisch wertvoll.

Der Raum vermittelt den Eindruck, dass er absichtsvoll eingerichtet wurde. Er ist eine „vorbereitete Umgebung“ im Sinne der Montessori-Pädagogik. Das bedeutet: Alles im Raum dient dazu, dass sich die Kinder wichtige Strukturen der ,Sache‘ selbsttätig erschließen können. Der Raum kommuniziert. Er enthält auch ein Aufbewahrungsregal für unvollendete Kreativarbeiten, wenn die verfügbare Zeit nicht gereicht hat. Die Kinder können selbst Verantwortung für die Ordnung übernehmen.

Zwar genießen Praktikerinnen und Praktiker nur selten den ,Luxus‘ eines vollständig eingerichteten, gewidmeten Raumes. Doch schon der Sitzkreis auf dem Fußboden und einige wenige Regale mit typischen Geschichten-Materialien genügen, um (zusammen mit der Beziehungsqualität) einen Gott im Spiel-Raum zu konstituieren. Die Kenntnis der ,idealen‘ Einrichtung dient dann als Hintergrund-Information, um die leitenden Prinzipien zu kennen, die man dann unter je und je gegebenen Umständen teilweise oder auch vollständig anwenden kann.

3.2. Die Aufgaben der Leitenden

Zwei Erwachsene unterstützen die Gruppe in verschiedenen Rollen. Deren konkrete Ausformung unterscheidet sich je nach Handlungskontext. Besonders wenn die Leiterin keine zweite Person an ihrer Seite hat, sind Kompromisse nötig. Dennoch ist es – ähnlich wie bei der Frage nach einem „vollständig eingerichteten Raum“ – hilfreich, die durchdachten, spezifischen Grundideen der Leiterin- und Begleiter-Rolle zu bedenken. Entscheidend ist die Haltung, mit der die beiden Erwachsenen den Kindern gegenüber im Prozess agieren. Diese Haltung ist bestimmt vom Respekt gegenüber jedem Kind und vom Vertrauen in seine Fähigkeit zur Selbststeuerung im Sinne des Grundsatzes nach Maria Montessori („Hilf mir, es selbst zu tun!“). Diese pädagogische Haltung hat auch eine spirituelle Dimension: Die Erwachsenen versuchen, in jedem Kind und seinem Verhalten „Gott im Spiel“ zu sehen.

3.2.1. Die Leiterin

Die bzw. der ,Leitende‘ kümmert sich um alle Aufgaben und Vorgänge, die sich innerhalb des Kreises der Kinder abspielen, die auf die Ordnung der Geschichten-Materialien im Raum und insbesondere auf die jeweilige Darbietung bezogen sind. Ihr Platz ist vor dem sogenannten Fokusregal (siehe oben Abb.1). Der oder die Leitende ankert die Gruppe und bereitet der Geschichte eine ,Bühne‘. Er oder sie leitet das Ergründungsgespräch sowie das abschließende Fest.

3.2.2. Der Begleiter

Der bzw. die ,Begleitende‘ hat seinen Ort nahe der Tür. Er oder sie ist für alles außerhalb des Kreises zuständig – die Schwelle, besondere Bedürfnisse einzelner Kinder, die Kreativ- und Fest-Materialien.

3.3. Die zeitliche Struktur (Phasen) einer Einheit

Die Phasen spiegeln die Herkunft von Godly Play aus der Sonntagsschule. Der Grundstruktur des christlichen Gottesdienstes traut J. Berryman zu, die horizontale wie vertikale Kommunikation, den zwischenmenschlichen Austausch wie die Begegnung mit Gott, in sinnvoller Weise zu unterstützen.

3.3.1. Bereit werden

Die Kinder werden individuell an der Tür begrüßt. Die damit verbundene Entschleunigung schafft Raum für tiefere Aufmerksamkeit und zieht sich durch die ganze Einheit. Dann finden die Kinder einen Platz im Kreis bei der Leiterin oder dem Leiter. Eine leichte Plauderei über das, was gerade obenauf liegt, oder auch ein Lied helfen, im Prozess anzukommen. Schließlich verständigt sich die Leiterin oder der Leiter mit den Kindern, ob diese „bereit sind für eine Geschichte“. Dadurch werden nebenbei die Spannung erhöht und die Aufmerksamkeit fokussiert.

3.3.2. Eine Darbietung erleben und ergründen

Während der nun folgenden Darbietung nimmt sich die Erzählerin oder der Erzähler stark zurück, damit die Kinder besser in die Geschichte eintauchen können. Deshalb schaut sie oder er die Kinder nicht an und dramatisiert nicht in ihrem oder seinem Erzählstil. So können die Kinder schon beim Zuhören und Zuschauen eigene inhaltliche Akzente setzen.

Manche dieser individuellen Schwerpunkte äußern die Kinder beim anschließenden Ergründungsgespräch. Offen gehaltene Fragen der Leiterin oder des Leiters und der Verzicht auf Bewertungen geben viel Freiheit, emotionale und gedankliche Anknüpfungspunkte ins Gespräch einzubringen.

Im Genre der „Glaubensgeschichten“ (siehe unten 3.4.1.) werden folgende 4-5 wiederkehrende Impulse verwendet:

- Ich frage mich, was euch wohl das Liebste ist in der Geschichte?

- Was meint ihr, könnte wohl am wichtigsten in der Geschichte sein?

- Ich frage mich, wo ihr in der Geschichte vorkommt? An welcher Stelle erzählt die Geschichte etwas von euch?

- Ob wir wohl etwas weglassen könnten und hätten immer noch alles, was wir für die Geschichte brauchen?

- Ich frage mich, was ihr euch noch fragt?

Markant ist dabei der Wechsel zwischen emotionalen und kognitiven, identifikatorischen und diskursiven Ebenen des Gesprächs.

Die Kinder hören einander zu. Viele Alltagserfahrungen fließen ein. Im Laufe des Gesprächs gehen die Kinder zunehmend in Diskussion miteinander. Ihr Gespräch kann zum Theologisieren werden. Sie beginnen ihre jeweiligen Deutungen zu vergleichen und einzuordnen. Je nach Größe der Gruppe und Länge von Darbietung und Gespräch hat der Gott im Spiel-Prozess bis zu diesem Punkt ca. 30 Minuten gedauert.

3.3.3. Spiel- und Kreativphase

In der dritten Phase können die Kinder einer frei gewählten Tätigkeit nachgehen. Manche spielen mit dem Material der heutigen oder einer früher gesehenen Geschichte. Andere wählen sich Farben und Papier oder anderes aus dem Kreativangebot. In wenigen Minuten haben sich die Kinder einzeln oder in kleinen Gruppen im Raum aufgeteilt. Die Spiel- und Kreativphase ist derjenige Teil eines Gott im Spiel-Prozesses, der den Kindern die größte Freiheit bietet, ihre individuellen Themen zu entfalten. Indem sie sich vertiefen, erreichen sie (idealerweise) eine „Polarisation der Aufmerksamkeit“ (Montessori). Deshalb sollte diese Phase nicht kürzer als 20 Minuten sein – je nach Kontext gern auch 40 Minuten oder sogar noch länger.

Godly Play 2

Eine Präsentation von ,Produkten‘ der Spiel- und Kreativphase ist nicht vorgesehen, denn das Wichtigste geschieht im Prozess.

3.3.4. Das kleine Fest

Am Ende der Spiel- und Kreativzeit teilen einige Kinder Servietten, Kekse und Getränke aus. Die Gruppe kehrt in den Kreis zurück. Je nach Handlungskontext stellt die Leiterin oder der Leiter vielleicht die brennende Christus-Kerze vom Fokusregal in die Mitte und lädt die Kinder zu einer Gebetsrunde ein. Die Anwesenden sinnen dem bisher Erlebten noch einmal nach. Dann verabschieden sich die Kinder von der Leiterin oder dem Leiter. Sie oder er spricht ihnen, auch hier je nach Handlungskontext unterschiedlich, vielleicht einen individuellen Segen zu. Auch die Begleiterin oder der Begleiter, der während des Festes die Schwelle gehütet hatte und nun die Tür nach draußen öffnet, verabschiedet die Kinder einzeln.

Stehen für einen Gott im Spiel-Prozess weniger als 60 Minuten (oder besser 90 Minuten), zur Verfügung, muss man zu kontextbezogenen Kompromissen finden und je nach dem die eine oder andere Phase weglassen oder abwechselnd praktizieren.

3.4. Geschichten und Curriculum

Darbietungen im Godly Play/Gott im Spiel-Konzept lassen sich in drei Genres aufteilen. Ihnen sind jeweils verschiedene Regale im Raum zugeordnet. Dies gliedert die horizontale Struktur im Raum (siehe oben 3.1.). Diese Aufteilung deutet die Vielfalt von Sprachformen der jüdisch-christlichen Tradition an, aber auch die Vielgestaltigkeit kindlicher Situationen und Fragestellungen.

3.4.1. Glaubensgeschichten

Sie erzählen von Erfahrungen, die Menschen mit Gott in Raum und Zeit machen und die nach der individuellen Zugehörigkeit zum Volk Gottes, nach religiöser Identität und Integration fragen. Wichtige Erlebnis-, Glaubens- und Verhaltensmuster der Protagonisten können die Kinder bei sich selbst wiedererkennen. Diese Geschichten werden mit dreidimensionalen Materialien dargeboten. Manche der Glaubensgeschichten werden in einer Wüstenkiste oder einem Wüstensack gespielt, manche auf Filz.

Die alttestamentlichen Glaubensgeschichten werden in der deutschen Weiterentwicklung Gott im Spiel um drei Untergattungen erweitert und vertieft: 1. Menschheitsgeschichten, die in einem Erdsack gespielt werden und insbesondere Fragen nach Verantwortung und Leid, Schuld und Heimat thematisieren, 2. Biografiegeschichten, die von Lebens(um)wegen in der Beziehung zu Gott und Mitmensch erzählen sowie 3. Geschichten zu Propheten, die in speziellen Situationen und Aufträgen Gottes Wort ausrichten. Auch die im deutschsprachigen Raum neu entwickelten Jesus-Geschichten sind zumeist dem Genre der Glaubensgeschichten zugeordnet.

3.4.2. Gleichnisse

Gleichnisse werden mit zweidimensionalen Materialien erzählt und in goldenen Schachteln, die Wert und Geheimnis andeuten, aufbewahrt. Die Darbietungsweise nimmt auf, dass Jesus in ,Sprachspielen‘ zu kreativen Interpretationen des Reiches Gottes herausfordert. Er verwendet Alltagsbilder, stellt dann aber häufig gewohnte Ansichten auf den Kopf. Die Gleichnis-Darbietungen zielen darauf, die eingeübten Grenzen von Imagination, Sprache, Denken und Glauben für das Kommen und die Gegenwart des Reiches Gottes zu öffnen.

3.4.3. Liturgische Handlungen

In diesen Darbietungen werden biblische Stoffe mit kirchlichen Ausdrucks- und Gestaltungsformen des Glaubens verbunden (zum Beispiel zu den Sakramenten, zum Kirchenjahr, zum Gottesdienst).

3.4.4. Kern- und Vertiefungsgeschichten

Die Vielfalt der Geschichten wird nicht nur horizontal, sondern auch vertikal geordnet. Sogenannte „Kerndarbietungen“ haben ihren Platz zumeist oben auf den Regalen. Sie werden im Laufe eines Jahres oder eines mehrjährigen Curriculums mehrfach erzählt, denn sie gelten als besonders wichtig. Sogenannte „Vertiefungsdarbietungen“ hingegen haben ihren Ort in den mittleren Regalfächern. Sie sind häufig für ältere Kinder konzipiert, die mit den dazugehörigen Kerndarbietungen bereits hinlänglich vertraut sind. Beispielsweise zieht die Kerndarbietung „Die große Familie“ einen weiten Bogen über die Abraham und Sarah-Tradition, wohingegen „Sarah und Hagar“, „Isaak und Abraham“ sowie „Jakob“ bestimmte Teile dieser Kerndarbietung ergänzen bzw. vertiefen.

In den untersten Regalfächern werden Kinderbibeln, Bibellexika, Kinderbücher zu theologischen Themen, Bibel-Atlanten oder anderes Material aufbewahrt, welche die Kinder dazu einladen, Informationen zu sammeln, Zusammenhänge nachzulesen oder sich mit Einzelthemen vertieft zu beschäftigen.

3.4.5. Curriculum

Während das Curriculum bei Berrymans Godly Play recht starr dem Kirchenjahr folgt, kann sich die Planung der Reihenfolge von Geschichten in der Weiterentwicklung von Gott im Spiel flexibel auf den Kontext beziehen, in welchem das Konzept angewendet wird. Im kindergottesdienstlichen Zusammenhang wird meist das Kirchenjahr mit seinen Festen, teilweise mit Vorbereitungszeiten leitend sein. Im schulischen Religionsunterricht hingegen lassen sich die Darbietungen thematisch veranlasst punktuell dem → Lehrplan zuordnen. In Kindertagesstätten wiederum sind es häufig je nach lokalem Kontext verabredete thematische Akzente im Jahreskreis, die die Anordnung der Inhalte leiten. Noch stärker fragmentiert ist der Einsatz in der Erwachsenenbildung, bei Familienfreizeiten, in der Kinderklinik oder in Seniorenkreisen.

Eine systematisch-aufbauende und vertiefende Arbeit mit Godly Play/Gott im Spiel in Kindergruppen ist am ehesten in außerschulischen Bildungsangeboten für Kinder in Kirchgemeinden im Laufe der Woche möglich, an denen Kinder regelmäßig teilnehmen und die über entsprechende Räumlichkeiten und Zeitfenster verfügen.

4. Kritik und Perspektiven

Schon rasch nach dem ersten Bekanntwerden von Godly Play im deutschsprachigen Raum erhoben sich kritische Stimmen unterschiedlicher Provenienz. Die Weiterentwicklung zu Gott im Spiel verdankt sich nicht zuletzt dem Gespräch mit solchen kritischen Stimmen. Denn in der Tat wirft Berrymans Godly Play mit seinem klar konturierten Handlungskontext „Sonntagsschule“ einige Passungsprobleme für die religionspädagogische Praxis hierzulande auf.

Kritiker aus der Praxis hinterfragten die Anforderungen bezüglich Raum, Zeit, Mitarbeitenden und Geld. Auch kritisierten sie einen ,Mangel an Vielfalt in den Zugängen‘ – sowohl im Sinne einer methodischen Engführung als auch im Sinne einer didaktischen Geschlossenheit des Curriculums. Diese Einwände lassen sich wohl nur durch eine Entscheidung lösen: Entweder man nutzt Godly Play/Gott im Spiel im Sinne einer konzeptionellen Profil-Linie und kann dadurch die inhärente Tiefe systematisch ausloten – auf Kosten der stofflichen und methodischen Breite, die insbesondere im Bereich interreligiöser und ethischer Bildungsgegenstände zu kurz kommen würde. Oder man praktiziert Godly Play/Gott im Spiel gelegentlich bzw. teilweise und kann damit andere Handlungskonzepte bereichern – ohne freilich systematisch an jener spirituellen Fundierung arbeiten zu können, die vom ritualisierten Prozess und den Chancen der geschützten, anregungshaltigen Lernumgebung lebt.

Aus wissenschaftlicher Sicht wurden hauptsächlich Einwände zur biblisch-theologischen sowie zur religionspädagogisch-systematischen Anlage des Konzeptes geltend gemacht. In biblisch-theologischer Hinsicht demonstrierte Peter Müller (2007), dass Berrymans Umgang mit den biblischen Stoffen von kirchlich-dogmatischen Vorentscheidungen, gepaart mit einer gewissen erzählerischen Großzügigkeit im Kombinieren unterschiedlicher biblischer Traditionen, geprägt ist. Dieses Vorgehen, so zeigte Frank Zeebs Analyse (2008) auf, liegt in der Rezeption der biblischen Theologie Samuel Terriens durch Berryman begründet. Es bleibt abzuwarten, wie die deutsche Bearbeitung der Vertiefungsgeschichten zum AT sowie die Neukonzeptionierung eines Bandes mit Jesusgeschichten (Steinhäuser, 2018) hinsichtlich der genannten fachlichen Kritikpunkte beurteilt werden.

In religionspädagogisch-systematischer Sicht äußerten die Analysen von Schweitzer, Kahrs und Mette übereinstimmend den Verdacht, dass Berrymans Godly Play den Kindern einen kirchlich-präformierten Begriff von Gott (Kahrs, 2008, 38) vorzeige, dem gegenüber die bildungstheoretisch unabdingbare Freiheit des Subjektes im Gottesbezug sekundär erscheine. Nicht, dass diese fehle, jedoch führe ihre spezifische Einrahmung im Godly Play-Prozess die Gefahr einer Nachordnung der Religion des Subjektes und einer Trennung zwischen „heilig“ und „profan“, zwischen „Godly Play-Erfahrung“ und „Alltag“ (Mette, 2008, 30) auf Kosten religiöser Pluralitätsfähigkeit herauf (Schweitzer, 2008, 26). Diese Kritik ist fundamental und in der Anlage des Godly Play-Konzeptes unabweisbar. Die Kritik lässt sich aber konstruktiv aufnehmen, und zwar im Zusammenhang einer performativen Religionspädagogik. Inwiefern das Recht dieser konzeptionellen Kritik auch in der Praxis aufweisbar ist, muss empirisch überprüft werden. Diesbezügliche Bemühungen stehen erst ganz am Anfang (Steinhäuser/Simon, 2011; Steinhäuser/Øystese, 2018).

Literaturverzeichnis

  • Berryman, Jerome, The Spiritual Guidance of Children. Montessori, Godly Play and the Future, Harrisburg 2013.
  • Berryman, Jerome, The Complete Guide to Godly Play. Vol. 1-8, Denver 2002-2012.
  • Berryman, Jerome, Teaching Godly Play. How to mentor the Spiritual Development of Children, Denver 2009.
  • Berryman, Jerome, Godly Play. Ein Konzept zum spielerischen Entdecken von Bibel und Glauben, Bde. 1-4, hg. von Martin Steinhäuser, Leipzig 2006/2007.
  • Berryman, Jerome, Godly Play. An Imaginative Approach to Religious Education, San Francisco 1995.
  • Bucher, Anton A. (Hg. u.a.), „Man kann Gott alles erzählen, auch kleine Geheimnisse“. Kinder erfahren und gestalten Spiritualität, Jahrbuch für Kindertheologie 6, Stuttgart 2007.
  • Bucher, Anton A./Schwarz, Elisabeth E. (Hg), „Darüber denkt man ja nicht von allein nach…“. Kindertheologie als Theologie für Kinder, Jahrbuch für Kindertheologie 12, Stuttgart 2013.
  • Kahrs, Christian, Von der „Frage nach Gott“ zur „Gottesvorstellung“. Ein Versuch über Godly Play als Kritik der evangelischen Religionspädagogik, in: Steinhäuser, Martin (Hg.), Analysen, Handlungsfelder, Praxis, Godly Play 5, Leipzig 2008, 31-40.
  • Kaiser, Ulrike/Lenz, Ulrike/Simon, Evamaria/Steinhäuser, Martin, Gott im Spiel. Godly Play weiterentwickelt. Handbuch für die Praxis, Stuttgart 2018.
  • Mette, Norbert, Das Kind als Geheimnis. Godly Play im Kontext katholisch-religionspädagogischer bzw. katechetischer Ansätze, in: Steinhäuser, Martin (Hg.), Analysen, Handlungsfelder, Praxis, Godly Play 5, Leipzig 2008, 22-30.
  • Müller, Peter, Godly Play – hermeneutisch, exegetisch und religionspädagogisch betrachtet, in: Bucher, Anton A. (Hg. u.a.), „Man kann Gott alles erzählen, auch kleine Geheimnisse“. Kinder erfahren und gestalten Spiritualität, Jahrbuch für Kindertheologie 6, Stuttgart 2007, 91-102.
  • Schweitzer, Friedrich, Godly Play und religiöse Bildung – religiöse Bildung und Godly Play. Überlegungen und Anstöße aus bildungstheoretischer und kindertheologischer Sicht, in: Steinhäuser, Martin (Hg.), Analysen, Handlungsfelder, Praxis, Godly Play 5, Leipzig 2008, 11-21.
  • Steinhäuser, Martin (Hg.), Gott im Spiel. Godly Play weiterentwickelt. Praxisbände: Vertiefungsgeschichten zum Alten Testament. Jesusgeschichten, Stuttgart 2018.
  • Steinhäuser, Martin (Hg.), Godly Play. Analysen, Handlungsfelder, Praxis, Leipzig 2008.
  • Steinhäuser, Martin/Østese, Rune (Hg.), Godly Play – European Perspectives on Practice and Research. Gott im Spiel – europäische Perspektiven auf Praxis und Forschung, Münster 2018.
  • Steinhäuser, Martin/Simon, Evamaria, „Ich frage mich, ob Gott am Ende glücklich war…“. Glück und Heil als heuristische Aspekte in Godly Play, in: Bucher, Anton A. (Hg. u.a.), „Gott gehört so ein bisschen zur Familie“. Mit Kindern über Glück und Heil nachdenken, Jahrbuch für Kindertheologie 10, Stuttgart 2011, 60-80.
  • Zeeb, Frank, Die schwer fassbare Gegenwart Gottes. Anmerkungen zum Bezug von Godly Play auf die biblische Theologie Samuel Terriens, in: Steinhäuser, Martin (Hg.), Analysen, Handlungsfelder, Praxis, Godly Play 5, Leipzig 2008, 103-111.

Unter www.godlyplay.de/literatur findet sich eine annähernd vollständige primär- und sekundärliterarische Bibliographie der deutschsprachigen Literatur zu Godly Play/Gott im Spiel sowie ausführliche englischsprachigen Quellenangaben, beides in Teilen zum Download.

Abbildungsverzeichnis

  • Raum-Schema im Gott im Spiel-Konzept. Grafik: Emile Döschner © Godly Play deutsch e.V.
  • Spiel- und Kreativphase im Gott im Spiel-Konzept. Foto: Bertram Kober © Godly Play deutsch e.V.

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