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(erstellt: April 2006)

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1. Etymologie und Grundbedeutung

Das deutsche Wort „Bibel“ (mittelhochdeutsch biblie) ist wie die Entsprechungen in den übrigen modernen europäischen Sprachen abgeleitet von lateinisch biblia. Letzteres ist ebenso wie der zu Grunde liegende griechische Terminus τὰ βιβλία („die Bücher“) eine Neutrum-Plural-Form, die im Mittelalter fälschlicherweise als Femininum Singular aufgefasst wurde. Griechisch τò βιβλίον (eigentlich: „das Büchlein“) erklärt sich als Verkleinerung von ἡ βίβλος bzw. βύβλος („das Buch“), was sich von dem Namen der phönizischen Hafenstadt → Byblos herleitet. Diese hieß eigentlich gbl – wie die Inschrift auf dem Sarkophag des dortigen Königs → Ahiram zeigt und ugaritische, ägyptische (kpn), keilschriftliche (gubla; Amarna-Briefe, z.B. 137; Text Amarna-Briefe) und hebräische (gəbal; Ez 27,9) Belege bestätigen – und dem entspricht ihr heutiger arabischer Name Ǧebel [Gebel]. Die Griechen bezogen aus der Handelsstadt seit dem 6. Jh. v. Chr. aus Ägypten stammenden Papyrus, den sie zu Schreibmaterial verarbeiteten. Aus gbl machten sie Byblos (zum Wandel von g zu b vgl. E. Schwyzer, Griechische Grammatik, 6. Aufl. 1990, 1, 293-296) und bezeichneten nach dem Ort zunächst Papyrusstauden und Papyrusblätter bzw. -rollen (vgl. Jes 18,2 LXX) als βίβλος / βύβλος, dann auch das darauf Geschriebene und schließlich ein Schriftstück im Sinne von Urkunde, Vorschrift, Brief bis hin zu einem umfangreichen Buch. Der Ortsname Byblos ist zwar erst bei Strabo (63 v. Chr. - ca. 23 n. Chr.) belegt (Geographie 16, 2, 18; Text gr. und lat. Autoren), doch setzt schon Homer ihn in dem Adjektiv βύβλινος „aus Byblos stammend“ bzw. „aus Papyrus gemacht" voraus (Odyssee 21.391; Text gr. und lat. Autoren).

In der → Septuaginta geben ἡ βίβλος und häufiger τò βιβλίον hebräisch sefær „Schriftstück / Buchrolle“ wieder.

2. Spezielle theologische Bedeutung

Bezeichnet der griechische Begriff zunächst jegliches Schriftstück, erfolgt im jüdisch-christlichen Bereich eine Bedeutungsverengung, indem τὰ βιβλία „die Bücher“ speziell die Schriften meint, die eine besondere Bedeutung innerhalb der jüdischen bzw. christlichen Glaubensgemeinschaft besitzen. Es handelt sich jeweils um eine Schriftensammlung, die von einer bestimmten Epoche bzw. von einem bestimmten Zeitpunkt an als in ihrem Wortlaut und Umfang unveränderliche und verbindliche Glaubensurkunde, als Grundlage und Richtlinie der Glaubensgemeinschaft etabliert wurde (→ Kanon).

Diese spezielle Schriftensammlung gilt als heilig, so dass als Synonym für „Bibel“ auch der Begriff „Heilige Schrift“ benutzt wird. Die Heiligkeit der Schriftensammlung beruht auf der Auffassung, dass diese Bücher im Gegensatz zu anderen literarischen Werken göttlich inspiriert sind. In den biblischen Schriften begegnet der Leserschaft göttliche Offenbarung, Wort Gottes selbst. „Gottes Wort“ kann insofern als Synonym für „Bibel“ auftreten. Als weiteres, heute seltener gebrauchtes Synonym dient „Buch der Bücher“, eine Wendung, die die Bildung eines superlativischen Ausdrucks im Hebräischen (vgl. etwa „Lied der Lieder“ für das Hohelied) aufgreift.

Dass die Bibel ein Buch mit besonderer Bedeutung darstellt, lässt sich im Deutschen am übertragenen Gebrauch ablesen: „das ist seine Bibel“ drückt aus, dass das besagte literarische Werk, eine philosophische Schrift oder dergleichen, ein für den Betreffenden wichtiges, richtungweisendes Buch ist.

3. Die Verschiedenheit der Bibeln

Kanon 1

Im landläufigen Verständnis geht man davon aus, dass „die Bibel“ ein eindeutiger Begriff ist. Die Bibel verdankt sich jedoch einem langen und komplizierten Entstehungsprozess, und genau genommen gibt es „die Bibel“ gar nicht, weil verschiedene Glaubensgemeinschaften einen jeweils unterschiedlichen Schriftenbestand als ihre Bibel betrachten.

Dies schlägt sich schon frühzeitig im Sprachgebrauch nieder: So meint der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus mit τὰ βιβλία („die Bücher“) entweder die Tora (Antiquitates III,74; IV,304; XII,36.89.114; Text gr. und lat. Autoren; vgl. Aristeasbrief 30; Text Pseudepigraphen) oder das ganze Alte Testament (Antiquitates I,15; VII,159; vgl. vgl. Aristeasbrief 28), der Christ → Origenes dagegen mit τὰ θεῖα βιβλία („die göttlichen Bücher“) das gesamte Alte und Neue Testament (De principiis 4, 3 ,5 = Philocalia 1, 21; Kommentar zum Johannesevangelium 5, 7, 1 = Philocalia 5, 6; Text Kirchenväter 3).

3.1. Die Hebräische Bibel, der Tenach

Um die Unterschiede deutlich zu machen, spricht man von der „Hebräischen Bibel“ und meint damit die hebräisch verfassten Bücher, deren Sammlung die Glaubensurkunde des Judentums bildet. Da der Begriff „Bibel“ jedoch eher von Christen als von Juden gebraucht wird, herrscht teils ein gewisses Unbehagen an dieser Bezeichnung, so dass man die jüdische Bezeichnung „Tenach“ oder – anders transliteriert – „Tanak“ bevorzugt, ein Begriff, dessen Konsonanten sich aus den Anfangsbuchstaben der drei Teile des jüdischen Kanons – Tora, Nebiim, Ketubim – zusammensetzen (→ Kanon).

3.2. Die Bibel aus Altem und Neuem Testament

Die christliche Bibel besteht aus zwei Teilen, dem Alten (oder: Ersten) und dem Neuen (oder: Zweiten) Testament. Der Schriftenbestand des Alten Testaments ist in den Kirchen der Reformation identisch mit dem Tenach, in der römisch-katholischen Kirche hingegen mit dem der → Vulgata, der lateinischen Übersetzung, die im Gefolge der → Septuaginta, der ältesten griechischen Übersetzung, zusätzlich die → Apokryphen enthält (das sind die Bücher → Judit, → Tobit, Erstes und Zweites → Makkabäerbuch, → Baruch, → Weisheit Salomos und → Sirach Jesus sowie Zusätze in den Büchern → Daniel und → Ester). Welche Bücher zur „Bibel“ gehören, hängt also von der Religionsgemeinschaft bzw. der christlichen Konfession ab (→ Kanon).

Schon innerhalb der Bibel wird auf heilige Schriften verwiesen. Dabei können die Verweise einen sehr unterschiedlichen Referenzrahmen haben, sich nämlich auf eine bestimmte Bibelstelle, ein ganzes Buch oder sogar einen Kanonteil bis hin zum Alten Testament beziehen.

In der Hebräischen Bibel erscheint sefær „Buch“ zur Bezeichnung eines biblischen Buchs in der Überschrift Nah 1,1 und verweist auf die Schrift des Propheten Nahum. In Neh 9,3 (vgl. 2Chr 17,9) ist von sefær tôrat JHWH „Buch der Weisung JHWHs“ oder „Buch des Gesetzes JHWHs“ die Rede, womit vermutlich der Pentateuch oder eine seiner Vorformen gemeint ist. In Dan 9,2 steht der Plural hassəfarîm („die Bücher“; LXX αἱ βίβλοι „die Bücher“) für (prophetische) Schriften, in denen Daniel Gottes Wort nachgelesen hat.

In der griechischen Bibel gibt es unterschiedliche Verweise auf als heilig geltende Schriften:

1) βίβλος „Buch“ kann ein einzelnes Buch des Alten Testaments meinen (z.B. Mk 12,26; Lk 3,4; Lk 20,42). In 2Makk 8,23 hat ἡ βίβλος ἱερά „das heilige Buch“ wohl das ganze Alte Testament im Blick.

2) Auch βιβλίον kann ein einzelnes Buch des Alten Testaments bezeichnen (Lk 4,17). Die Formulierungen „das Buch des Gesetzes“ (Gal 3,10), „die Bücher des Gesetzes“ (1Makk 1,56) und „die heiligen Bücher“ (1Makk 12,9) meinen die Tora, vielleicht sogar das ganze Alte Testament.

3) ἡ γραφή „die Schrift“ (z.B. Röm 4,3) und αἱ γραφαί „die Schriften“ (z.B. Mt 21,42; 1Kor 15,3-4) bezeichnen ebenfalls summarisch das Alte Testament, der Singular kann auch eine einzelne Schriftstelle (z.B. Mk 10,12) und in der LXX ein Einzelschrift (2Chr 24,27) meinen. Nur einmal ist das Substantiv im Neuen Testament mit dem Adjektiv ἅγιαι „heilig“ verknüpft (Röm 1,2).

4) 2Tim 3,15 spricht von τὰ ἱερὰ γράμματα „die heiligen Schriften“.

5) Darüber hinaus werden Bezeichnungen gewählt, die die Teile des Tenachs benennen: ▪ νόμος „Gesetz“ (z.B. Mt 22,36), gelegentlich auch präzisiert als „Gesetz des Mose“ (vgl. z.B. Lk 2,22), bezeichnet einerseits die Tora, andererseits seltener auch das gesamte Alte Testament (etwa Joh 10,34), wo dann aus Ps 82 zitiert wird (vgl. 1Kor 14,21 mit einem Zitat aus Jes 28); ▪ „das Gesetz und die Propheten“ (z.B. Mt 5,17; Lk 16,16); ▪ „das Gesetz und die Propheten und die übrigen ihnen folgenden“ (Prolog des Sirachbuches); ▪ „Gesetz des Mose, Propheten und Psalmen“ (Lk 24,44).

4. Übersetzung und Überlieferung

In der Antike wurden die hebräischen biblischen Schriften mehrfach ins Griechische, ferner ins Aramäische (Targume) sowie weitere Sprachen übersetzt. Die christliche Bibel aus Septuaginta und Neuem Testament wurde ins Lateinische übertragen. Übersetzungen in die europäischen Volkssprachen setzten vor der Reformation bereits ein und stehen seither in Blüte. Mit der Verbreitung des Christentums über die ganze Welt nahm die Zahl der Übersetzungen weiter zu. Bis heute ist die christliche Bibel das am häufigsten übersetzte Buch (→ Christliche deutsche Bibelübersetzungen).

Spätestens seitdem die Bibel kanonischen Rang besaß, wurde ihr Text ausgesprochen sorgfältig überliefert. Trotzdem gibt es zwischen den einzelnen Handschriften sowie zwischen den ursprachlichen Fassungen und ihren antiken Übersetzungen Differenzen. Bibelwissenschaftler bemühen sich in kritischen Ausgaben um die Rekonstruktion einer Textgestalt, die der Urfassung möglichst nahe kommt (→ Bibeltext / Textkritik).

Weil die Bibel als Heilige Schrift sowohl in der jüdischen als auch in der christlichen Glaubensgemeinschaft die Grundlage von Glaubensaussagen bildet, hat die Auslegung der jeweiligen Schriftensammlung von Anfang an einen hohen Stellenwert (→ jüdische Bibelauslegung, → christliche Bibelauslegung, → Epochen der christlichen Bibelauslegung).

Literaturverzeichnis

  • Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart 1933-1979
  • Der Kleine Pauly, Stuttgart 1964-1975 (Taschenbuchausgabe, München 1979)
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2004
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1988-2001
  • Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart u.a. 2. Aufl. 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage, Tübingen 1998ff.

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