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Heiliger Geist

Schlagworte: Pneumatologie

(erstellt: Januar 2015)

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1. Heiliger Geist als Thema der Kinder- und Jugendtheologie

In kinder- und jugendtheologischen Untersuchungen (→ Kindertheologie; → Jugendtheologie) ist der Heilige Geist bisher nur selten ein Thema. Betrachtet man die beiden Untersuchungen von Büttner mit Fünft- und Sechstklässlern (2003; 2004), von Bergmayr mit Mittelstufen- und Oberstufenschülern (2004) und von Orth/Gerth mit Grundschülern (2008) sowie von Gerth mit Viert- und Achtklässlern (2011), so ergibt sich ein durchaus widersprüchliches Bild. Fragt man Schülerinnen und Schüler direkt nach ihren Vorstellungen zum Heiligen Geist, so zeigt sich, dass nur wenige über ein Vorwissen verfügen. Die Reaktionen reichen von „dazu weiß ich nix“ über „das habe ich noch nie gehört“ bis hin zu „die Priester sagen ja manchmal, Heiliger Geist, irgendwas mit Jesus. Aber was das bedeutet ...?“ Folglich kreisen ihre Überlegungen zum Ausdruck „Heiliger Geist“ zuerst einmal um Assoziationsmuster zu den Worten „heilig“ und „Geist“. Mögliche Deutungen, die so entstehen, sind in der vierten Klasse die des Heiligen Geistes als „liebes Gespenst“, in der achten Klasse die eines unsichtbaren „Schutzengels“, der den Menschen hilft (Gerth, 2011, 231). Die Äußerung eines Achtklässlers lässt die Gleichartigkeit beider Assoziationsmuster vermuten: „Ich schätze mal, das ist ein Geist, der vielleicht auf andere Menschen aufpasst oder so. So was wie ein Engel“ (Gerth, 2011, 233). Beide Deutungsmuster sind so kaum anschlussfähig an theologische Sprachmuster vom Heiligen Geist. Klar erkennbar wird hier eine Tendenz zu personalen Vorstellungen, die sich auch bei Untersuchungen zum Gottesbild feststellen lässt (Orth/Hanisch, 1998).

Allerdings finden sich in den Untersuchungen auch symbolische Vorstellungen, jedoch meist nur bei Kindern und Jugendlichen mit religiöser Sozialisation, oder wenn die Gespräche zum Heiligen Geist in ein entsprechendes Unterrichtssetting eingebunden sind. Die häufigste Umschreibung ist die der Seele: „Ich glaube, dass Gott irgendwie alles ist. Und der Geist ist eigentlich nur das Innenleben. Von dem, was gerade ist. Also […] die Seele“ (Gerth, 2011, 235). Daneben gibt es auch Vorstellungen vom Heiligen Geist als „Geistesblitz“, „(Gottes) Gedanken in uns“, „warmer Wind und gutes Gefühl“ oder als „anderer Name für Gott“. Nur selten nennen die Schülerinnen und Schüler das Symbol der Taube. Erst in weiterführenden Klassen nähern sich die Bilder vermehrt den christlichen Metaphern an. „Er gibt ihnen Kraft und bewirkt die Talente. Man könnte den Hl. Geist aber auch als Boten oder den Atem Gottes bezeichnen“ (Bergmayr, 2004, 47). Befragt zum Wirken des Geistes, äußern die Schülerinnen und Schüler, er passe auf die Menschen auf, schütze sie vor Unfällen, Krankheiten und Krieg oder rette sie aus Gefahrensituationen. Darüber hinaus bewirke er Freude, gebe den Menschen Energie, schaffe Frieden, nehme Ängste, gebe Kraft und Mut, bewirke Gemeinschaft oder Verständigung, ermögliche eine Verbindung zu Gott, oder er wirke als „Bote“ und Sprachrohr Gottes.

Oberstufenschüler eines katholischen Gymnasiums beschreiben den Heiligen Geist als „etwas Abstraktes, Unvorstellbares […] Flüchtiges“, das man nicht „begreifen“ könne. Er zeige sich im Handeln, als innere Energie oder Gewissen. Er sei „Vermittler zwischen Mensch und Gott“, „das Göttliche in uns“ und ein „treuer Begleiter“. Viele Äußerungen beschreiben den Heiligen Geist auch als Lebensspender oder Lebenskraft. Ein Schüler definiert den Heiligen Geist als den Teil, den man bei Erzeugung eines künstlichen Menschen nicht herstellen könne (Bergmayr, 2004, 51f.).

Ähnlich wie die akademische → Theologie, die das Nachdenken über den Heiligen Geist oft mit Überlegungen zur → Trinität verbindet, kreisen auch viele Schüleräußerungen zum Heiligen Geist um dieses Thema. Die Formulierungen reichen hier von „die sind beide heilig, vielleicht sind die verwandt“ über „ich glaube, dass Gott sein Chef ist“ bis zu „das ist ein anderer Ausdruck für Gott“ (Gerth, 2011, 326). Die Oberstufenschüler wissen: „er ist Teil der Trinität Gottes“ – „ist dem Vater und dem Sohn gleichgestellt, daher ist er auch allmächtig“ – „wir sollten Gott und Geist nicht trennen, sondern als ein Ganzes sehen, sozusagen in verschiedenen ‚Aggregatzuständen‘“ (Bergmayr, 2004, 50f.).

Spricht man mit Kindern, ausgehend von der Pfingstgeschichte über den Heiligen Geist, treten personale Vorstellungen deutlich zurück (Maurer, 2005; Freudenberger-Lötz/Schreiner, 2004). Die Schülerinnen und Schüler nutzen dann kreativ die in der Pfingstgeschichte angelegten Metaphern. In der vierten Klasse beschreiben sie den Geist Gottes als Sturm, der die bösen Gedanken wegbläst, als Jesus, der den Jüngern ins Herz kommt, als Geistesblitz, der die Jünger motiviert und antreibt, oder als Stimme, die ihnen Mut macht. Achtklässler sehen hingegen kaum noch einen Zusammenhang zwischen dem Wirken des Geistes und der Pfingsterzählung. Sie sind zwar fasziniert vom Sprachenwunder, erklären dies aber vornehmlich naturwissenschaftlich oder als Trick. Es spricht also vieles dafür, die Pfingstgeschichte – anders als dies viele Schulbücher tun – bereits im Grundschulalter einzusetzen.

2. Heiliger Geist in der wissenschaftlichen Theologie

2.1. Impulse der biblischen Theologie

2.1.1. Altes Testament

Die Rede vom „heiligen Geist“ ist primär ein christlicher Ausdruck. Im Alten Testament kommt die Wendung nur an zwei Stellen vor, in Psalm 51,13 und Jesaja 63,10f. Im Alten Testament wird für den Geist Gottes ansonsten das feminine hebräische Wort ruach verwendet, für dessen Übersetzung ins Deutsche es mehrere Möglichkeiten gibt. Die Grundbedeutungen des Wortes sind „Wind“ und „Atem“, „beides aber nicht als wesenhaft Vorhandenes, sondern als die im Atem- und Windstoß begegnende Kraft, deren Woher und Wohin rätselhaft bleibt“ (Albertz/Westermann, 2004, 726). Darüber hinaus steht die ruach im Zusammenhang mit den Wortfeldern „Leben/Lebendigkeit“ und → „Seele/Sinn/Gemüt“.

Am häufigsten wird ruach mit „Wind“ wiedergegeben, was ein breites Bedeutungsspektrum abdeckt, angefangen vom leichten Luftzug wie in 1Kön 19,12 über stürmischen Wind in Jon 1,4 bis hin zum gewaltigen Sturm, der wie in Ex 10,13 Plagen über Ägypten bringt. Die ruach ist ambivalent. Sie gilt als Trägerin des Lebens, die für notwendige Atemluft sorgt, aber auch als zerstörerische Kraft des Ostwindes, der die Felder austrocknet (Jes 40,7; Ez 17,10). Die Unterscheidung zwischen profanem und theologischem Gebrauch der ruach fällt schwer, da der Wind als Grundmodell der Erfahrung des göttlichen Wirkens gilt (Koch, 1991, 17): Durch die ruach zeigt Gott seine dynamische Präsenz etwa in den vier Winden (Sach 6,5). In ihrer zerstörerischen Wirkung wird sie zum Bild für Gottes Gericht (Hos 4,19 und öfter).

Eine zweite Bedeutung des Wortes ruach ist die des (hörbaren) Atems oder der geschenkten Lebenskraft (Ez 37,14). Die ruach wirkt im Menschen, belebt ihn und befähigt ihn zu besonderen Taten, als solche ist sie aber immer die ruach Jhwhs, da sie von ihm stammt und dem Menschen nur für die Dauer seines irdischen Lebens gegeben wird (Ps 104,29f.). Die ruach kann auch Ausdruck für Gemütsbewegungen oder das Personenzentrum sein (Ri 8,3; Gen 26,35). In späteren Texten gilt sie als Willens- und Aktionszentrum des Menschen, als das, was „das Innerste“ eines Menschen ausmacht. Erst in diesem Bedeutungszusammenhang kann die ruach auch den „Geist“ eines Menschen meinen, jedoch nicht als Teil, sondern als Vermögen des Menschen (Albertz/Westermann, 2004, 741).

In einem weiteren Verwendungszusammenhang steht die ruach für eine besondere Gottesgabe. So taucht sie erstmals in der Frühzeit Israels auf (z.B. Ri 3,10). Sie kommt plötzlich und unerwartet über Auserwählte und ermächtigt diese zu besonderen (Kraft-)Taten oder zur Prophetie. Doch auch hier ist die Kraft Gottes ambivalent – ebenso kann Gott einen bösen Geist schicken, der Unheil bringt (Ri 9,23). Erst im Königtum wird die dynamische ruach zu einer bleibenden Gabe, die an Riten und eine Sukzession gebunden werden kann. In diesem Sinne sind auch die messianischen Texte wie Jesaja 11,2 zu verstehen.

Auch wenn ruach und Wirken Gottes eng verknüpft sind, so denkt das Alte Testament in seiner Entwicklung streng monotheistisch. Die ruach bleibt Gott untergeordnet und wird nirgends als (göttliche) Person gedacht.

2.1.2. Neues Testament

Das Neue Testament verwendet das griechische Wort pneuma, ein Neutrum, für den Geist. Neben den Bedeutungen „Wind“ und „(Lebens-)Atem“ kann es auch den menschlichen Geist (z.B. Röm 1,9) oder Dämonen (z.B. Mt 8,5) bezeichnen. Meist ist pneuma aber theologisch bestimmt: als Geist Gottes, Geist des Herrn oder heiliger beziehungsweise Heiliger Geist. Die Klein- beziehungsweise Großschreibung ist dabei nicht beliebig: Die Kleinschreibung zeigt an, dass es sich um ein Adjektiv handelt, das den Geist Gottes, die ruach Jhwh oder das pneuma hagion, näher qualifiziert. „Heiliger Geist“ bezeichnet dagegen in der dogmatischen Theologie (→ Dogmatik) die dritte Person der Trinität neben Gottvater und Jesus Christus (→ Christologie), dem Sohn. Als eigenständiger „Personenname“ wird das Wort daher hier groß geschrieben.

Das Neue Testament verknüpft die Rede vom heiligen Geist aufs Engste mit Jesus Christus. Er ist entweder von Geburt an mit dem Geist Gottes verbunden (Mt 1,18; Lk 1,35), oder er wird bei der Taufe auf ihn übertragen (Mk 1,9-11). Kraft des Geistes kann Jesu seine vollmächtige Lehre vom Reich Gottes entfalten, Kranke heilen und Dämonen austreiben (Mk 1,21-28; Mt 12,18.28). Vor allem Lukas betont den Zusammenhang zwischen der Gabe des Geistes, dem Auftreten Jesu und dem Anbruch des Reiches Gottes (Lk 4,18-21). Nach Ostern wird der Geist insbesondere bei der Taufe zur Gabe für die Nachfolger Jesu. Er ermächtigt sie zu Lehre und Mission (Apg 2), wohnt unter und in ihnen (Röm 8,9; 1Kor 3,16) und gestaltet die Gemeinde durch die Verleihung von Fähigkeiten (1Kor 12). Damit erfolgt eine „Demokratisierung“ des Geistes Jesu unter allen seinen Nachfolgern (Frey, 2011, 136).

Die stärksten pneumatologischen Akzente innerhalb der Evangelien finden sich bei Johannes (Schnelle, 2007, 664). In den johanneischen Abschiedsreden wird der Geist charakterisiert als „anderer Beistand“, griechisch parakletos, oder als Geist der Wahrheit, als nachösterliche Gabe des Erhöhten an die Gemeinde, der die Kontinuität der Lehre Jesu gewährleistet: Er tröstet die Jünger und zeigt ihnen, dass sie in Wahrheit nicht verwaist sind (Joh 14,18), erinnert und lehrt sie (Joh 14,26) und bewahrt sie im rechten Glauben (Joh 16,9-11).

Auch bei Paulus sind Geist und → Christus aufs Engste miteinander verknüpft (2Kor 3,17). Durch ihre Zusammengehörigkeit mit Christus wirkt der Geist auch in den Menschen (Wolter, 2011, 111-116): Die Gabe des Geistes definiert den Anfang des christlichen Lebens und die Zugehörigkeit zu Christus (Röm 8,9); der Geist macht jeden einzelnen zum Glied des Leibes Jesu (seiner Gemeinde; 1Kor 12,13), gibt Anteil an Christi göttlicher Sohnschaft (Gal 4,6) und als „Angeld“ die Hoffnung, einst aufzuerstehen wie er (2Kor 1,22). Er ist Prinzip des (ethischen) Handelns und wirkt aktiv durch Geistesgaben in der Gemeinde (1Kor 12,8-19).

Die für den schulischen Kontext wohl bedeutsamste Bibelstelle ist die Pfingsterzählung (Apg 2). Hier schildert Lukas, wie der an Himmelfahrt den Jüngern verheißene Geist auf die christliche Gemeinde übertragen wird. Die Ausgießung des Geistes an die Jünger markiert den Beginn der christlichen Mission. Geleitet vom Geist überwindet die „Frohe Botschaft“ Länder-, Völker- und Sprachgrenzen und konstituiert fortan die weltweite Gemeinde.

2.2. Impulse der theologischen Tradition

Die ersten Gemeinden wussten sich als Geistbeschenkte aufs Engste verbunden mit dem Geist Jesu/dem Geist Gottes und erkannten in ihrem Leben zahlreiche Wirkungen des Geistes (siehe oben). Trinitarische Formeln wie die Taufformel (Mt 28,19) prägten bald den Sprachgebrauch, dennoch war die Rede vom Heiligen Geist zunächst anthropologisch und soteriologisch beziehungsweise ekklesiologisch bestimmt. Erst im Zuge der altkirchlichen Verhältnisbestimmungen zwischen Gott und Jesus Christus rückte der Geist in den Mittelpunkt der theologischen Diskussion. Das Konzil von Konstantinopel bestätigte 381 nach Christus – als Reaktion auf trinitätstheologische Auseinandersetzungen in Folge des Konzils von Nicäa (325 nach Christus) – die Eigenständigkeit des Heiligen Geistes, der zwar als schöpferische Kraft vom Vater ausgeht, aber gleichberechtigt mit Vater und Sohn verehrt wird (Hilberath, 1994, 117f.). Augustin legte in seinem Werk „De Trinitate“ die Grundlage für das abendländische Verständnis des Geistes als personalisierte Gemeinschaft von Vater und Sohn (communio), der als Liebesgabe (vinculum amoris) beide verbinde und daher sowohl vom Vater als auch vom Sohn ausgehe. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Pneumatologie in der Tradition Augustins immer stärker an die → Christologie angebunden. Dies hatte zur Folge, dass die Westkirche das Hervorgehen des Geistes aus dem Vater und dem Sohn lehrte, während die Ostkirche an der Auffassung festhielt, der Geist gehe aus dem Vater durch den Sohn hervor. Auch wenn man heute diesen Unterschied nicht als Widerspruch, sondern als sich ergänzende Sichtweisen versteht (Haudel, 2011, 143;150), führte dies 1054 zur politisch forcierten Spaltung der Kirche.

In der Folgezeit stand das Nachdenken über den Geist meist im Kontext der Trinitätslehre, der Auseinandersetzung mit den Sakramenten und der Verfasstheit der Kirchen und deren Ämtern, wobei sich evangelische und katholische Pneumatologie nicht fundamental voneinander unterscheiden. In beiden Konfessionen rückte der Heilige Geist als eigenständige Größe immer weiter in den Hintergrund, so dass sowohl von evangelischer als auch von katholischer Seite zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine „Geistvergessenheit“ konstatiert wurde (Sattler, 2011, 401).

2.3. Impulse der neueren theologischen Diskussion

In beiden Kirchen ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts eine Rückbesinnung auf die Pneumatologie festzustellen. Dies ist auch den charismatischen und pfingstlerischen Bewegungen zu verdanken, die vermehrt auf die Bedeutung spezifischer Geisterfahrungen verweisen, sowie der feministischen Theologie, die durch die Rede vom Heiligen Geist als „weiblichem Teil Gottes“ zu einem neuen Nachdenken über zeitgemäße Sprachformen anregt. Die Friedens- und Umweltbewegung verweist vermehrt auf die Bedeutung des Geistes für die Schöpfungstheologie, während die Befreiungstheologie das motivierende Potenzial des Geistes im Kampf gegen Unterdrückung und Unrechtsstrukturen erkennt. Die ökumenische Bewegung ringt um eine neue Positionierung des Heiligen Geistes innerhalb der Trinitätslehre und gibt dabei neue Impulse für ein pneumatologisch begründetes Amtsverständnis der Kirchen.

Wichtige Impulse erhielt die Pneumatologie auf katholischer Seite durch Beiträge von Yves Congar, José Comblin, Hans Urs von Balthasar und Bernd-Jochen Hilberath, auf evangelischer Seite durch Karl Barth, Wolfhart Pannenberg, Jürgen Moltmann und Michael Welker, um nur einige wichtige Theologen zu nennen. Betrachtet man die Publikationen der letzten 50 Jahre, so werden sehr unterschiedliche Akzente und Wirkweisen des Heiligen Geistes betont. Er erscheint als konstitutives Element der Kirche (Congar), als Einführer in die göttliche Wahrheit und deren Ausleger (von Balthasar), als Stimme und Kraft der Kraftlosen (Comblin), als Offenbarungsweise (→ Offenbarung) des Herrn (Barth), als göttliches Energiefeld (Pannenberg) und als Kraft, die die Welt schafft und erlöst (Welker, Moltmann). Die unterschiedlichen, sehr komplexen Positionen lassen den Eindruck entstehen, als verlören sich die systematischen Überlegungen in einer gewissen Beliebigkeit. Wie jedoch bereits die biblische Auseinandersetzung mit dem Heiligen Geist zeigt, ist die Vielfalt der Deutungen themenimmanent und keineswegs willkürlich. Dennoch ist die „Unterscheidung der Geister“, die bereits in 1Joh 4 angesprochen wird, eines der zentralen Themen der systematisch-theologischen Auseinandersetzung mit dem Heiligen Geist.

Nichtsdestotrotz gilt: „Der Geist lässt sich nicht ,definieren‘ […]. Der Heilige Geist verweigert sich, unverrückbares konstitutives Element einer Systematischen Theologie zu sein; er will sie vielmehr durchwehen und durchdringen“ (H.-M. Barth, 2001, 414) Damit bleibt die Pneumatologie auch weiterhin sensibel für alle zeitbedingten Entwicklungen innerhalb der Theologie (Sattler, 2011, 410).

3. Heiliger Geist und religiöse Vermittlungsprozesse

Orientiert an der biblischen Aussage, allein der Geist wirke im Gläubigen die Gotteserkenntnis (1Kor 2,10-12) und nur durch den Geist sei ein authentisches Christusbekenntnis möglich (1Kor 12,3), kam es immer wieder zu dem Missverständnis eines Gegensatzes von Glauben und Lernen. Die Vermittlung von Religion bewegte sich seit ihrem Beginn zwischen zwei Polen: der Unverfügbarkeit des Geistwirkens im Gläubigen, das allein durch Gott initiiert wird und auf das der Mensch (methodisch und didaktisch) keinen Einfluss nehmen kann, und einem allgemeinen Verständnis von Religion als Lernprozess, in dem religiöses Lernen, etwa durch gezielte Verkündigung und Auslegung der Schrift, initiiert werden könne. Luther beispielsweise beruft sich auf die erste Strömung: „Ich glaube, daß ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christ, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch’s Evangelium berufen“ (Luther, Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 511,46-512,5).

Eher dem zweiten Pol zuzuordnen ist beispielsweise das Bestreben der liberalen Religionspädagogik, eine neue religiöse Gesinnung zu schaffen. Dabei rückte Jesus als sittliches und moralisches Vorbild ins Zentrum der religiösen Vermittlung, der Geist wurde christologisch bestimmt als Geist, der in Jesus Christus Gestalt gewonnen hat und so in Schule und Gemeinde wirkt. Ein direkter Bezug auf die Unverfügbarkeit des Geisthandelns in der religiösen Vermittlung findet sich in der Evangelischen Unterweisung. Theologisch orientiert sich diese an der Dialektischen Theologie Karl Barths, die das Offenbarungshandeln Gottes im Wort betont. Hier kommt dem Heiligen Geist ganz im Sinne Luthers eine wichtige Vermittlungsposition zu: Er bewirkt das Verstehen des Wortes und wirkt dadurch im Menschen den Glauben. Religiöse Vermittlung setzt daher auf eine Begegnung mit der Bibel, aber auch auf ein spirituelles Erleben, etwa im gemeinsamen Beten. Die Methode rückt dabei in den Hintergrund: „Die Bitte um den Heiligen Geist, der durch das Wort zum Glauben ruft, ist schlechthin wichtiger als jede Methode“ (Heckel, 1930, 29). Eine deutliche Hinwendung zum zweiten Pol gibt es im Hermeneutischen Religionsunterricht. Hier geht es um eine kriteriengeleitete Auslegung der biblischen Schriften. Das Wirken des Geistes als Inspirator ist dabei eher an den Verstand des Menschen gebunden als an den Glauben. Weder die Problemorientierung noch die erfahrungsorientierten Ansätze reflektieren die Stellung des Heiligen Geistes oder lassen ein pneumatologisches Profil erkennen. Die Symboldidaktik greift zwar, ausgehend von der Pfingsterzählung, die Festsymbole Wind/Sturm, Atem und Feuer/Feuerzungen auf, räumt ihnen jedoch wenig Gewicht ein. Erst die Bibeldidaktik (→ Bibeldidaktik, Grundfragen der) führt die Rede vom Heiligen Geist wieder als eigenen Inhaltsbereich in der → Religionspädagogik ein, etwa in den Grundbescheiden Bergs oder in den Grundmotiven der Bibel nach Theißen. Die pluriformen Strömungen des 21. Jahrhunderts bedenken den Heiligen Geist etwa im Kontext der Kindertheologie (→ Theologisieren mit Kindern) (vgl. 1.), während im interreligiösen Religionsunterricht (→ Didaktik der Religionen) die Trinität und mit ihr das Wirken des Geistes als Anfrage der anderen Religionen bedacht werden, oder feministischer beziehungsweise genderbewusster Religionsunterricht (→ Gender) rein männliche Gottesbilder kritisch hinterfragt.

4. Perspektiven für die Rede vom Heiligen Geist in Schule und Gemeinde

Vergleicht man die Äußerungen der Schülerinnen und Schüler mit dem, was die akademische Theologie zum Heiligen Geist sagt, so werden zwar zahlreiche Anknüpfungspunkte deutlich, es zeigen sich aber – im Gegensatz zu vielen Untersuchungen zu Gottesbild und Christologie – viel deutlichere Differenzen. Die Vorstellung vom Heiligen Geist als „liebes Gespenst“ ist theologisch kaum haltbar, und auch wenn es etwa bei Barth oder Pannenberg Ansätze gibt, Heiligen Geist und Engel zusammen zu denken, so ist auch die Schutzengelvorstellung theologisch fragwürdig (Barth, 1967, 580; Pannenberg, 1991, 127). Ferner zeigt sich, dass die personalen Vorstellungen vom Heiligen Geist bei der Deutung biblischer Erzählungen durchaus hinderlich sein können. Hilfreich erscheinen dagegen die zahlreichen, sehr differenzierten Überlegungen der Schülerinnen und Schüler zum Wirken des Heiligen Geistes. Auch theologisch spricht einiges dafür, den Heiligen Geist nicht primär als „Wesenheit“ in den Blick zu nehmen, sondern seine Wirkungen zu betrachten (vgl. 2.).

Verbindet man die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen mit den rechtlichen Vorgaben, so rückt in der Grundschule vor allem das Pfingstfest als Vermittlungszusammenhang in den Blick. Hier kann man die Empathie der Schülerinnen und Schüler als Verstehensschlüssel für die Erzählung nutzen und so die Gefühle der Jünger sowie ihre durch den Geist gewirkte Veränderung in den Blick nehmen. Anschließend kann man Erlebnisse der Kinder aufgreifen, die um die Themen „aus Mutlosigkeit wird Mut“, „aus Verzweiflung wird Zuversicht“ oder „aus Sprachlosigkeit wird Verständigung“ kreisen oder nach weiteren Feldern des Geistwirkens fragen. Gute Impulse, auch für den Kindergottesdienst, finden sich im Materialband „Pfingsten“ von Eva Jürgensen. Ein Unterrichtsmodell, das als detektivische Spurensuche nach dem Wirken des Heiligen Geistes fragt, hat besonders Jungen als Subjekte des Religionsunterrichts im Blick (Gerth, 2014, 95-100).

Mit Jugendlichen ist eine Auseinandersetzung mit der Pfingsterzählung aus Sicht der Jünger wenig vielversprechend – zu groß wird die eigene Distanz zum Bibeltext empfunden. Hier kann Pfingsten als konstitutives Element für die Entstehung der ersten christlichen Gemeinden behandelt werden. Mögliche Zugänge zum Wirken des Geistes sind z.B. die Themen „Spiritualität“, „gelebter Glaube“ und die inspirierende und motivierende Kraft des Geistes (Mendl, 2014; DVD „Spirit“), oder Fragen, woran man einen Christen erkennt (z.B. an den Werken des Geistes), oder wie Glaube entsteht. Nicht zuletzt stellt das Thema „Trinität“ sowohl für Kinder als auch Jugendliche einen spannenden Zugang zum Wirken des Geistes dar.

5. Offene Fragen

Innerhalb der wissenschaftlichen Theologie scheint der Heilige Geist sein Schattendasein überwunden zu haben, und auch in der Religionspädagogik gibt es eine Entwicklung, den Heiligen Geist als selbstständiges Thema zu würdigen. Zwar stecken hier die empirischen Untersuchungen zur Kinder- und Jugendtheologie noch in den Anfängen, doch zeigen die bisherigen Ergebnisse, dass gelungene Unterrichtsideen zu erstaunlichen Überlegungen der Kinder und Jugendlichen führen können, auch wenn diese zuvor über wenig Vorwissen verfügten. Hier wird klar, wie wichtig eine Wahrnehmung der Pneumatologie als eigenständiges Thema in der Religionspädagogik ist. Gleichzeitig ergibt sich aus der Differenz zwischen theologischer Rede vom Heiligen Geist und Schülervorstellungen ein spannendes Feld für zukünftige Überlegungen: sowohl für die wissenschaftliche Theologie, die ihre bisherigen Sprachmuster zu überdenken aufgerufen ist, als auch für die Religionspädagogik, die die Aufgabe hat, nach neuen Vermittlungsstrategien zu suchen. Vielleicht kann gerade die Frage nach dem Heiligen Geist hilfreich sein für eine genauere Verhältnisbestimmung zwischen Laientheologie und akademischer Theologie, da hierfür seit jeher eine metaphorische, von spirituellen Erfahrungen geprägte Sprache vonnöten war. Das Gespräch mit den Pfingstkirchen trägt als wichtigen Impuls in die religionspädagogische Diskussion ein, dass zukünftig die Dimension der eigenen christlichen Erfahrung stärker wahrzunehmen ist (Strübind, 2011, 205f.). Die pfingstkirchliche Tradition versteht den Heiligen Geist in der Tradition der ersten christlichen Gemeinden und bezieht sich auf ein sehr viel unmittelbareres Geistverständnis. Hier kann die Religionspädagogik lernen, neue Impulse für Geist-Wirken und Geist-Erfahrungen zu finden und diese für Schule und Gemeinde fruchtbar zu machen, ohne dabei eine „Scheidung der Geister“ aus den Augen zu verlieren.

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