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Apokalyptik und Neues Testament

Frühjüdische Apokalyptik

Die Apokalyptik ist eine theologische Strömung, die im Judentum erstmalig zu Beginn des 2. Jh. v. Chr. greifbar ist (Danielbuch). Ihr ähnliche Vorstellungen begegnen im gleichen Zeitraum auch in anderen Religionen des östlichen Mittelmeerraumes. Die jüdische Apokalyptik hat ihrerseits Einflüsse aus dem iranischen Raum aufgenommen.

Die Apokalyptiker erwarten das Heil allein von der Zukunft. Die gegenwärtige Weltzeit wird als heil- und gottlos erlebt und angesehen. Deshalb wird Gott ein die Geschichte beschließendes „Ende“ herbeiführen. Danach wird die bisher verborgene, universale und unbeschränkte Herrschaft Gottes anbrechen (die kommende Weltzeit). Diese Auffassung von der Geschichte bezieht sich nicht nur auf Israel allein, sondern schließt die gesamte Völkerwelt ein, denkt also universalistisch.

Die Aufgabe der Idee einer innerweltlichen Heilsgeschichte Gottes mit dem Volk Israel führt dazu, dass „Israel“ unter apokalyptischem Vorzeichen neu definiert wird. Gottes Volk sind nur die Frommen, die ihm auch in der gegenwärtigen bösen Zeit treu geblieben sind und nach seinem Willen, der sich in der Tora manifestiert, gelebt haben. Allein sie werden die Herrschaft Gottes als Heilszeit erleben, während alle anderen seinem Gericht verfallen.

Die der Apokalyptik zugeordneten Schriften sind weithin von dualistischen Aussagen geprägt. Die gegenwärtige böse Welt und das zukünftige Heil, Ungerechte und Fromme, Teufel und Gott stehen einander gegenüber. Oft findet sich die Vorstellung eines (endzeitlichen) Kampfes zwischen den Antipoden. Die Apokalyptiker lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass Gott am Ende siegen wird.

Der Apokalyptik ist ein hohes Bewusstsein dafür inhärent, dass das Heil nicht Ergebnis innerweltlicher Entwicklungen oder menschlicher Pläne sein kann, sondern allein Gottes Tat. Diese theologische Einsicht wird häufig durch einen strikten Determinismus ausgedrückt, der das Schicksal dieser Welt und jedes einzelnen Menschen schon mit der Schöpfung durch Gott beschlossen sieht.

Da der gegenwärtigen Weltzeit Heilsunfähigkeit bescheinigt wird, findet sich durchweg die Erwartung eines katastrophalen Umsturzes am Ende der Zeit. Die irdisch geltenden Koordinatensysteme werden von Grund auf verändert werden. Meist sieht man diese Zeitenwende als unmittelbar bevorstehend an. Signal dafür ist die ständig zunehmende Verworfenheit der Welt (Abfall von Gott, Vergessenheit der Tora, Verfall aller sittlichen und sozialen Ordnungen). Der Umbruch selbst wird von den sogenannten „Wehen der Endzeit“ begleitet sein, die etwa in Weltkriegen oder kosmischen Katastrophen bestehen.

Die Konzentration der Hoffnung auf ein nahe bevorstehendes heilvolles Eingreifen Gottes zugunsten der Frommen hat dazu geführt, dass die Apokalyptik ihre Kraft vor allem in Zeiten der Not und Unterdrückung entfalten konnte. Die konsequente Relativierung irdischer Machtstrukturen konnte dabei soweit gehen, dass dagegen revolutionär vorgegangen wurde (vgl. die Zeloten).

Apokalyptisches Denken im Neuen Testament

Befragt man die Schriften des Neuen Testaments auf den Einfluss apokalyptischen Denkens, so ist das Ergebnis ein doppeltes. Einerseits finden sich beinahe durchweg mehr oder minder deutliche Aufnahmen apokalyptischen Gedankengutes. Andererseits muss man registrieren und ernstnehmen, dass diese Ideen genauso durchweg dem Christusgeschehen zugeordnet werden. Apokalyptische Vorstellungen sind also nicht als solche wichtig, sondern werden benutzt, um der christologisch begründeten Hoffnung der Christen Ausdruck zu verleihen. Eine gewisse Ausnahme macht hier allein die Apk. Der Verfasser lässt sich so weitgehend auf die apokalyptische Theologie und ihre Bilderwelt ein, dass diese sein Werk zu dominieren droht. Allerdings muss man auch hier den entscheidenden Unterschied zur jüdischen Apokalyptik festhalten: Der entscheidende Sieg über den Teufel ist bereits errungen, die Wende zum Heil hat bereits stattgefunden (vgl. Apk 12,10f. u. ö.).

In den übrigen Schriften des Neuen Testaments begegnen apokalyptische Gedanken vor allem im Kontext der Erwartung der Parusie des Herrn (vgl. 1Thess 4,13-18; 1Kor 15,23-28 u. ö.). Damit können dann die Motive einer sich steigernden Verfolgung der Christen (vgl. Mk 13 parr) bzw. eines großen Abfalls vom Glauben (Auftreten von Häretikern als Zeichen der Endzeit – vgl. 1Joh u. ö.) verbunden sein. In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von Gott oder Christus (bzw. dem Menschensohn) als dem endzeitlichen Richter zu nennen (vgl. 1Thess 1,9f.; Joh 5,22.27 u. ö.). Nur selten begegnet außerhalb der Apk die Vorstellung eines in der Endzeit auftretenden Widersachers (1Joh 2; 2Thess 2).

Insbesondere Paulus nutzt apokalyptische Vorstellungen, um die mit dem Christusereignis eingetretene Heilswende auszusagen. So kann er den Gedanken von den zwei Weltzeiten aufnehmen (2Kor 5,17; Gal 1,4) bzw. von der Vollendung der Zeiten reden (Gal 4,4). In diesen Zusammenhang gehört zudem das Motiv der neuen Schöpfung (2Kor 5,17; Gal 6,15 u. ö.).

Eine gewisse Sonderstellung nimmt der 2Petr ein. Hier gewinnt man den Eindruck, dass die apokalyptisch geprägte Eschatologie zum festen Bestandteil der als verbindlich angesehenen Glaubensvorstellungen geworden ist. Als solche wird sie gegen ihre Spötter verteidigt, ohne dass der Verfasser des Briefes Vertreter einer brennenden Naherwartung wäre.

Literatur

F. Hahn, Frühjüdische und urchristliche Apokalyptik. Eine Einführung, Neukirchen-Vluyn, 1998.

K. Müller, Art. Apokalyptik, NBL 1, 124-132

P. Vielhauer, G. Strecker, Apokalyptik des Urchristentums, Einleitung; in: W. Schneemelcher (Hrsg.), Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. II. Band, Tübingen 1989, 491-547.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkundes des Neuen Testaments von Klaus-Michael Bull

Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018.

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