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4.02. Der 1. Korintherbrief (1Kor)

Übersicht über den 1. Korintherbrief

1,1-3 Präskript
1,4-9 Proömium
1,10-4,21 Parteistreitigkeiten in der Gemeinde
5,1-6,20 Sittliche Mißstände in der Gemeinde
7,1-40 Probleme im Umfeld von Ehe und Ehescheidung
8,1-11,1 Umgang mit Götzenopferfleisch
11,2-34 Mißstände in der Gemeindeversammlung
12,1-14,40 Charismen in der Gemeinde
15,1-58 Die Auferstehung der Toten
16,1-18 Schlußparänese
16,19-24 Eschatokoll

Der 1Kor ist Teil einer längeren Korrespondenz, die Paulus mit der Gemeinde in Korinth geführt hat. 5,9 zeigt, dass unserem 1Kor schon ein Brief des Apostels vorausgegangen ist. Der 2Kor ist dann Ergebnis des weiteren Dialogs zwischen ihm und der Gemeinde.

Die Adressaten

Korinth war 44 v. Chr. durch Cäsar als Kolonie für seine Veteranen neu gegründet worden. Seit 27 v. Chr. war die Stadt Hauptstadt der senatorischen Provinz Achaia und Sitz des Statthalters. Sie lag verkehrstechnisch sehr günstig an einer Landenge und hatte 2 Häfen, die sie zu einer wirtschaftlichen Drehscheibe zwischen Asien und Rom machten. Handel, Finanzgeschäfte und handwerkliche Produktion bestimmten das Leben der Stadt.

Als Handels- und Hafenstadt hatte Korinth eine bunt gemischte Bevölkerung, in der es ein starkes römisches Element gab. Eine Vielzahl hellenistisch-orientalischer Kulte ist belegt.

Die kulturelle, religiöse und soziale Vielfalt der Stadt spiegelte sich auch in der christlichen Gemeinde wider. Die Mehrzahl der Gemeindeglieder waren ehemalige Heiden (vgl. 12,2). Daneben hat es auch Judenchristen gegeben (Röm 16,21; Apg 18,8). Ein großer Teil der Gemeinde gehörte sozial zu den unterprivilegierten Schichten (vgl. 1,26; 7,21; 11,22b), aber nicht zu den ganz Armen (vgl. 16,2). Es gab in der Gemeinde auch Angehörige der Oberschicht (z. B. der in Apg 18,8 erwähnte Krispus; (vermutlich) Erastus [Röm 16,23]), die dann entsprechend die Räumlichkeiten für die Gemeindeversammlungen und Herrenmahlfeiern zur Verfügung stellen konnten (vgl. 11,21f.).

Der Anlass des Briefes

Die im 1Kor behandelten Themen führen uns eine lebendige Gemeinde vor Augen, die mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen hat. 7,1 zeigt, dass sich die Gemeinde mit einem Brief an den Apostel gewandt hat, der auf die darin enthaltenen Fragen antwortet. Folgt man der hier erstmalig begegnenden Formel „betreffs aber“ (der Angelegenheit, deretwegen ihr geschrieben habt; περὶ δέ/peri de), ergeben sich diese Anfragen: Ehe und Ehelosigkeit (7,1), Jungfrauen (7,25), Götzenopferfleisch (8,1), Geistesgaben (Charismen) (12,1), Kollekte für Jerusalem (16,1) und Apollos (16,12).

Daneben bezieht sich Paulus in seinem Brief auf Informationen, die er durch die Leute der Chloe erhalten hat (1,11). Das betrifft vor allem die Parteiungen in der Gemeinde. Möglicherweise haben diese Leute ihm auch weitere Dinge aus der Gemeinde berichtet, die Paulus als Missstände wertet und auf die er reagiert: Ein Fall von Blutschande (5,1), Prozesse zwischen Gemeindegliedern vor heidnischen Gerichten (6,1ff.), Umgang mit Prostituierten (6,12ff.), Missstände beim Herrenmahl (11,18) und die Praxis der Vikariatstaufe (15,29).

Abfassungszeit und -ort

Der 1Kor ist in Ephesus (16,8) im Frühjahr 54 geschrieben worden.

Literarischer Charakter

Im 1Kor lässt sich keine den ganzen Brief durchziehende einheitliche Gedankenführung feststellen. Wir haben einen themenorientierten Brief vor uns, bei dem Paulus mit dem für ihn drängendsten Problem, der Parteienbildung in der Gemeinde, beginnt. Deshalb kann man den 1Kor als Aufruf zur Eintracht und Einheit bezeichnen.

Briefanfang

1,1-3 Präskript
1,4-9 Proömium

Das Präskript (1,1-3) erwähnt Sosthenes als Mitabsender des Briefes. Die Adressatenangabe nennt in V. 2 zusätzlich zu den Korinthern „alle, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, an jedem Ort“. Diese katholische Adresse geht vermutlich auf die Zeit zurück, in der die Paulusbriefe zwischen den Gemeinden ausgetauscht worden sind, ist also nicht ursprünglich. Ein Segenswunsch (im protestantischen Gottesdienst als Kanzelgruß üblich) schließt das Präskript ab.

Das Proömium (1,4-9) besteht aus einer Danksagung für die reichen Gnadengaben der Gemeinde. Die briefliche Selbstempfehlung fehlt. Elemente aus ihr sind in 1,10-17 eingegangen.

Parteistreitigkeiten in der Gemeinde

1,10-17 Spaltungen in der korinthischen Gemeinde
1,18-2,5 Das Wort vom Kreuz als Grundlage christlicher Existenz
2,6-16 Weisheitspredigt des Paulus
3,1-23 Theologische Auseinandersetzung mit den Parteiungen
4,1-21 Auseinandersetzung mit dem Anspruch der Korinther auf absolute Freiheit (der Apostel als Beispiel)

Die Leute der Chloe haben Paulus berichtet, dass es zu Spaltungen in der Gemeinde gekommen ist (1,10-17). Es haben sich Gruppen gebildet, die sich auf verschiedene Missionare berufen. Paulus nennt sich selbst, Apollos und Kefas (Petrus). Als vierte Gruppierung erwähnt er eine Christuspartei – möglicherweise eine rhetorische Zuspitzung.

Im Kreuz Jesu Christi hat Gott weltliche Weisheit ad absurdum geführt. Gott erwählt das Törichte und Schwache, damit sich die Christen nur in Christus Jesus rühmen können. In ihm erlangen sie Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung (1,30). Dem Wort vom Kreuz entspricht die Predigt des Apostels, die nicht rhetorisch glänzt, sondern sich auf die Kraft Gottes stützt (1,18-2,5).

Trotzdem kann Paulus seine Verkündigung als Weisheitspredigt bezeichnen. Sie schöpft aus dem Geist Gottes, denn Gott hat sich den Glaubenden im Geist offenbart. Die in irdischem Denken befangenen Menschen aber können die Weisheit Gottes nicht erkennen (2,6-16).

Paulus erinnert die Gemeinde an ihre Gründung. Damals waren sie noch irdisch eingestellt und er musste seine Missionspredigt darauf ausrichten. Angesichts der Spaltungen in der Gemeinde befürchtet er jetzt, dass sie wieder in diesen Zustand zurückgefallen sind. Sowohl Paulus als auch Apollos sind nur Gärtner im Garten Gottes (der Gemeinde) und Architekten, die auf dem Fundament bauen, das allein in Christus gelegt ist. Die Gemeinde ist der Tempel Gottes, der nicht (durch Spaltungen) entweiht werden darf. Niemand also soll sich „in der Welt“ weise dünken und sich irgendeines Menschen rühmen (3,1-23).

Den Christen gehört alles (3,21f.) – darin ist sich der Apostel mit den Korinthern einig –, sie aber gehören Christus und damit letztlich Gott. Absolute Freiheit kann es für Christen nicht geben.

Das verdeutlicht Paulus an seiner Existenz als Apostel (4,1-21). Sie entspricht seiner Kreuzespredigt und soll den Korinthern als Beispiel dienen. Alles, was sie haben, ist von Gott geschenkt und kein Grund zur Selbstüberhebung.

Am Ende der Auseinandersetzung mit den Parteiungen in der Gemeinde kündigt Paulus seinen Besuch und die direkte Auseinandersetzung mit den sich weise Dünkenden in der Gemeinde an.

Sittliche Missstände in der Gemeinde

5,1-13 Ein Fall von Blutschande
6,1-11 Prozesse von Christen vor heidnischen Gerichten
6,12-20 Warnung vor Unzucht (Umgang mit Prostituierten)

Paulus ist zu Ohren gekommen, dass ein Gemeindeglied mit seiner Stiefmutter zusammenlebt. Er fordert die Gemeinde dringend auf, diesen Mann aus ihrer Mitte auszustoßen. In diesem Zusammenhang klärt er ein Missverständnis, das sich aus einem früheren Brief ergeben hat. Die Warnung vor Umgang mit den Unzüchtigen war nicht auf Abgrenzung nach außen gerichtet, sondern die Gemeinde soll sich selbst von Unzucht freihalten (5,1-13).

Christen führen Prozesse vor heidnischen Gerichten. Das ist für Paulus ein Unding. Schon die Tatsache des Prozessierens als solche widerspricht seinem Verständnis von Gemeinde, denn sie belegt, dass man einander Unrecht zufügt. Die Christen sind von Gott geheiligt und sollen nicht wieder in alte Verhaltensweisen zurückfallen, an die Paulus erinnert (6,1-11).

Erstmalig (vgl. 10,23) zitiert Paulus das Schlagwort „Alles ist mir erlaubt!“ – und schränkt sofort ein: „Aber nicht alles nützt mir.“ 6,12). Die Leiber der Christen sind Glieder Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Deshalb ist für einen Christen Umgang mit einer Prostituierten unmöglich (6,12-20).

Probleme im Umfeld von Ehe und Ehescheidung

Jetzt wendet sich Paulus den Anfragen der Korinther zu. Obwohl es in 7,1-40 um die Frage von Ehe und Ehelosigkeit geht, steht doch für den Apostel die Problemlage im Hintergrund, wie sich Christen zu sozialen Bindungen und Bezügen überhaupt verhalten sollen. Das macht insbesondere der Exkurs 7,17-24 mit seinem Plädoyer gegen das Streben nach Änderung des sozialen Status deutlich.

Die einleitenden Erörterungen zur Ehe stehen zunächst unter dem Gesichtspunkt, dass die Ehe dazu dient, die Unzucht einzudämmen. Im Anschluss an ein Herrenwort (vgl. Mk 10,11f. parr) erklärt Paulus die Ehe für unauflöslich. Ausnahme ist allein die Ehe mit einem Nichtchristen. Wenn dieser die Scheidung will, soll der christliche Ehepartner einwilligen.

Nach dem oben genannten Exkurs wendet sich Paulus der Frage der (von ihm bevorzugten) Ehelosigkeit zu. Er sieht das Ende dieses Weltzeitalters nahe bevor. Deshalb soll sich niemand mit irdischen Sorgen belasten. Den irdischen Bezügen gegenüber gilt eine Haltung des „Haben, als hätte man nicht“ (ὡς µή/hos mē). In dieser letzten bedrängenden Zeit soll man allein versuchen, dem Herrn zu gefallen. Paulus betont ausdrücklich, dass dies aus seiner Sicht der bessere Weg sei, lässt aber andere Lösungen zu.

Umgang mit Götzenopferfleisch

8,1-13 Nicht nach der Erkenntnis, sondern nach der Liebe!
9,1-27 Der Apostel als Beispiel für Rechtsverzicht
10,1-11,1 Theologische Erörterung des Problems

In Korinth gibt es Auseinandersetzungen um das Essen von Fleisch, das aus Opferhandlungen stammt. Paulus stimmt denjenigen zu, die die „Erkenntnis“ haben, dieses Fleisch sei theologisch irrelevant, da es nur den einen Gott gibt. Trotzdem mahnt er sie, auf das Essen des Götzenopferfleisches zu verzichten, um den „schwachen“ Brüdern aus Liebe keinen Anstoß zu geben (8,1-13).

In 9,1-27 bedenkt Paulus grundsätzlich, wie mit der Freiheit in Christus umzugehen ist. Er macht an seiner eigenen Arbeit als Apostel deutlich, dass es keine absolute Freiheit geben kann. Das Evangelium und seine Verkündigung markieren die Grenze (9,19-27).

In der theologischen Erörterung des Problems (10,1-11,1) dient die Exodusgeschichte als warnendes Beispiel für die Korinther (10,1-13). Sie sollen sich nicht von der Gier nach dem Bösen beherrschen lassen wie die Väter. Gott wird die Versuchung bestehbar halten.

Das Herrenmahl darf nicht mit heidnischen Kultmahlen vermischt warden (10,14-22). Deshalb ist den Christen die Teilnahme daran strikt untersagt. Die Freiheit, Götzenopferfleisch zu essen, gilt nur für auf dem Markt gekauftes Fleisch und bei Einladungen zu Gastmählern (10,23-11,1). Man soll aber nicht bewusst Götzenopferfleisch essen, um das Gewissen des anderen (gemeint ist jetzt wohl der heidnische Gastgeber) nicht zu belasten.

Missstände in der Gemeindeversammlung

11,2-16 Verschleierung der Frauen im Gottesdienst
11,17-34 Mißstände bei den Herrenmahlfeiern der Gemeinde

Paulus mahnt die Gemeinde in Korinth unter Hinweis auf den in den anderen Gemeinden üblichen Brauch, dass die Frauen in den Gemeindeversammlungen einen Kopfschleier tragen sollen (11,2-16).

Dann wendet er sich den Herrenmahlfeiern zu, bei denen es zu chaotischen Szenen gekommen sein muss (vgl. 11,20-22). Paulus zitiert die Abendmahlsüberlieferung (11,23-25), um die Korinther an den theologischen Sinn der Feier des Herrenmahls (Verkündigung des Todes des Herrn bis zur Parusie) zu erinnern. Wenn ihre Feiern diesem Anspruch nicht entsprechen, geschehen sie zum Gericht (11,17-34).

Charismen in der Gemeinde

12,1-31 Verschiedene Charismen, aber ein Leib Christi
13,1-13 Die Liebe als Richter und Norm aller Charismen („Hoheslied der Liebe“)
14,1-40 Glossolalie und prophetisches Reden

Es gibt verschiedene Geistesgaben (Charismen) in der Gemeinde, aber sie kommen alle aus dem Geist Gottes. Durch die Taufe sind alle Christen Glieder des Leibes Christi. Wie kein Glied des Leibes allein existieren kann, so kann kein Charisma für sich existieren und sich über andere erheben. Jeder hat seine spezielle Gnadengabe und Funktion in der Gemeinde (12,1-31).

Der höchste Weg aber ist der der Liebe (13,1-13). Sie bleibt auch, nachdem alles Stückwerk vergangen ist. „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (13,13)

Im Anschluss an den Lobpreis der Liebe erörtert Paulus das Verhältnis von Zungenrede (Glossolalie) und prophetischer Rede (14,1-40). Die Zungenrede dient primär der eigenen Erbauung, es sei denn, sie wird ausgelegt. Die prophetische Rede dagegen dient der Erbauung der Gemeinde. Deshalb ist sie vorzuziehen. In den Gemeindeversammlungen soll Zungenreden nur zugelassen werden, wenn es ausgelegt wird.

Das Schweigegebot gegenüber den Frauen (14,33b-36) ist vermutlich erst von einem Redaktor in diesen Zusammenhang eingetragen worden (Spannung zu 11,5). Er sah in ihrer Rede ebenfalls ein Zeichen der Unordnung.

Die Auferstehung der Toten

15,1-11 Das Zeugnis der Auferstehung
15,12-58 Auseinandersetzung mit den Leugnern der Auferstehung

Wie häufig bei strittigen Fragen erinnert Paulus die Adressaten zunächst an die gemeinsame Tradition (15,3b-5). Da die Auferstehung der Toten umstritten ist, fügt er den in der Überlieferung genannten Zeugen der Auferstehung Jesu Christi weitere hinzu, am Ende sich selbst (15,1-11).

Wer die Auferstehung der Toten leugnet, leugnet die Auferstehung Jesu Christi. Das aber stellt die Grundlage des Glaubens grundsätzlich in Frage. Da aber Christus auferstanden ist (vgl. die Zeugen), werden in ihm alle lebendig gemacht. In diesem Zusammenhang führt der Apostel eine Art apokalyptischen Fahrplan an (beachte V. 28). Schon die korinthische Praxis, sich für Tote taufen zu lassen (Vikariatstaufe), belegt, dass die Hoffnung auf die Auferstehung vorausgesetzt wird. Aber auch das ständig vom Tode bedrohte Leben des Apostels beweist diese Hoffnung.

Die Art und Weise der Auferstehung lässt sich nur im Gleichnis ausdrücken. Paulus vergleicht Sterben und Auferstehen mit Saat und Aufkeimen der Samen. Der irdische Leib stirbt und ein himmlischer Leib wird auferstehen. Am letzten Tag werden alle, Lebende und Tote, verwandelt werden (15,12-58).

Briefschluss

16,1-18 Schlussparänese
16,19-24 Eschatokoll

In der Schlussparänese (16,1-18) regelt Paulus zunächst das Verfahren, nach dem die Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde gesammelt werden soll. Danach teilt er seine Reisepläne mit und kündigt seinen Besuch an. Schließlich empfiehlt er Timotheus, Stephanas, Fortunatus und Achaikus und teilt mit, dass Apollos im Moment nicht kommen will.

Das Eschatokoll besteht aus Grüßen, einer Fluchformel, einem Gebetsruf und abschließenden Segenswünschen.

VG Wort Zählmarke
die-Bibel.dev.4.17.7
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