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2.1. Das 1. Buch Mose/Genesis (Gen)

Gliederung

Urgeschichte Vätergeschichte Josefsnovelle
Gen 1-11 Gen 12-25 : Abraham

Gen 26 (+27) : Isaak

Gen 27-36 : Jakob/Esau  

Gen 37+39-50

Diese erste Übersicht über das Buch Genesis orientiert sich an inhaltlichen Gesichtspunkten. Sie trennt die Urgeschichte als den Bereich ab, der sich mit der ganzen Menschheit vom Ursprung bis hin zu Abraham beschäftigt, darauf folgen Erzählungen über die Väter Israels und der große Bogen der Josefsnovelle. Über diese inhaltliche Strukturierung hinaus gibt es ein dem Text der Genesis eigenes Gliederungsmerkmal, die sogenannten Toledot-Formeln (תּוֹלְדוֹת, Geschlechterfolge, von hb. ילד jālad, gebären):

2,4 Toledot des Himmels und der Erde
5,1 Toledot Adams
6,9 Toledot Noachs
10,1 Toledot der Söhne Noachs
11,10 Toledot Sems
11,27 Toledot Terachs
25,12 Toledot Ismaels
25,19 Toledot Isaaks
36,1+9 Toledot Esaus
37,2 Toledot Jakobs
[ Num 3,1 Toledot Aarons]

Diese Formeln gelten als Bestandteile der priesterlichen Quellenschicht (P), sie kennzeichnen den allmählichen Übergang von der allgemeinen Weltgeschichte zum Kern der Geschichte Israels. Dies lässt sich bereits an den Stammbäumen in Gen 1-11 ablesen, die von Adam bis Abram reichen.

Urgeschichte

1,1-2,4a 1. Schöpfungsbericht (P). Kennzeichen: 7-Tage Schema, die Schöpfung von Welt und Mensch kommt mit dem Sabbat an ihr Ziel, Verwendung des Verbums bārā’ für Gottes Schaffen, gemein-altorientalisches Weltbild. Aussage der Gottebenbildlichkeit der Menschen
2,4b-3,24 2. Schöpfungsbericht und Beginn der Sünde (J). Kennzeichen: Schaffung von Mensch und Welt (Reihenfolge!), bäuerlicheres Weltbild, Eintreten der Sünde und Verlust des Zugangs zum Baum des Lebens
4,1-16 Kain und Abel (J). Kainsmal als Schutzzeichen, evtl. Ätiologie für die Keniter
4,17-26 Kainitenstammbaum, Beginn der Kulturerrungenschaften, Lamechlied
5,1-32 Stammbaum von Adam bis Noach (P), darin V. 21-24 : Henoch
6,1-4 Engelehen /Fall der Söhne Gottes
6,5-9,17 Sintfluterzählung, zusammengesetzt aus zwei getrennten Strängen J+P. Darin eigenes  Stück: 9,1-17 : Noachbund mit den sog. noachitischen Geboten 9,4-6, die der jüdischen Tradition nach allen Menschen gelten (Heute mit Erweiterungen tradiert)
9,18-29 Noachs Söhne
10,1-32 Völkertafel, Nachkommen der Söhne Noachs
11,1-9 Turmbau zu Babel /Begründung der Zerstreuung der Menschen und Völker über die Welt.
11,10-26 Stammbaum von Noach bis Abram
11,27-32 Übergang zur Vätergeschichte : Abram und Sarai in Ur in Chaldäa

Die eigentliche Urgeschichte ist aus mindestens zwei Quellen zusammengesetzt, nach der klassischen Quellenscheidungstheorie vor allem aus Stücken der priesterschriftlichen (P) und jahwistischen/Jerusalemer Quellenschrift (J; Kennzeichen: Gottesname Jahwe). Diese Stücke im einzelnen auszusondern ist jedoch nicht Gegenstand einer Bibelkunde. An einigen Stellen lassen sich noch die Nahtstücke zwischen den beiden Schichten erkennen, so besonders in 2,4 und 6,5-8.9-13.

Vätergeschichten

Im Bereich der Vätergeschichten (besser: Elterngeschichten) tritt nach der klassisch-traditionellen Ansicht zu den bisher zwei Quellenschriften eine weitere hinzu, die wegen der Verwendung des Gottesnamens אֱלֹהִים Elohim, in der Forschung Elohist (E) genannt wird. Diese Schrift soll schon früh mit dem Jahwisten zu einer Schrift verbunden worden sein, dafür steht dann das Siglum JE. Als klassische Texte des Elohisten gelten vor allem Gen 15; 20; 21,8-34 und Kap. 22. Die Existenz dieser Quelle wird jedoch inzwischen von den meisten bestritten.

Der in den Elterngeschichten postulierte genealogische/verwandtschaftliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Erzeltern ist sicherlich sekundärer Art. Die einzelnen Patriarchen waren ursprünglich eigenständig, das zeigen allein die unterschiedlichen Kultorte. Nur Sichem wird für Abraham (12,6f.) wie für Jakob (33,18-20) erwähnt, sonst haben alle Väter eigene Kultorte. Wahrscheinlich gab es ursprünglich Sagen unterschiedlicher Sippen, die sich um das Familienoberhaupt rankten. Die Erzählungen wurden dann in späterer Zeit so miteinander kombiniert, dass sie das Schema einer durchlaufenden Familiengeschichte ergaben. Erkennbar ist dieses Phänomen auch an der Tatsache, dass eine einzelne Erzählung – die von der Gefährdung der Ahnfrau – an drei Stellen von zwei Erzelternpaaren erzählt wird (Gen 12; 20; 26). Die Bezeichnung „Erzväter“ stammt nicht aus dem AT, sondern kommt erst in späterer Zeit auf (vgl. etwa 4Makk 7,19; Apg 7,8f., wo von den 12 Erzvätern die Rede ist). Im NT gilt in Apg 2,29 dann auch David als Erzvater/Patriarch (πατριάρχης).

Abrahamsgeschichte

12,1-9 Verheißung an Abram V. 1-3; "Kerygma des Jahwisten", Zug von Haran nach Sichem
  10-20 Gefährdung der Ahnfrau Sarai durch den Pharao, vgl. Kap 20+ 26,1-11
13,1-18 Abram und Lot, Landaufteilung, neue Verheißung an Abram ( V.14-17)
14,1-24 Abrams Kampf für Lot, V. 18f: Melchisedek von Salem
15,1-21 Gottes Bund mit Abram (einen Bund "schneiden"), Sohnes- und Landesverheißung (Wiederaufnahme des "Glaubens" Abrahams in Röm 4
16,1-16 Sarai und Hagar, Geburt des Ismael
17,1-27 Bund Gottes mit Abraham (Namenswechsel, auch Sarai zu Sara!), Bundeszeichen der Beschneidung (P)
18,1-15 Die drei Männer bei Abraham in Mamre
  16-33 Fürbitte Abrahams für die Leute von Sodom
19,1-29 Untergang Sodoms und Gomorras, Lots Frau wird zur Salzsäule
  30-38 Lots Töchter, Herleitung der Moabiter und Ammoniter
20,1-18 Abraham, Sara und Abimelech (Gefährdung der Ahnfrau II)
21,1-8 Geburt Isaaks
  9-21 Vertreibung Hagars und Ismaels; Rettung und Verheißung an Ismael
  22-34 Brunnenstreit und Vertrag mit Abimelech
22,1-19 Isaaks Bindung /Opferung
  20-24 Nachkommen Nahors, Abrahams Bruder
23,1-20 Saras Tod, Kauf der Höhle Machpela als Familiengrabstätte
24,1-67 Werbung der Rebekka für Isaak
25,1-18 Abrahams 3. Frau Ketura, Abrahams Tod, Stammbaum der Ismaeliter

Wichtigstes Motiv, das die Erzählungen zusammenbindet, ist die Wiederholung der Segenszusage, die auch die Gabe des Landes umfasst. So verheißt Gott in 12,1-3 Abra(ha)m, in 26,24 Isaak und in 28,13f. dem Jakob das Land. Allerdings gilt die Verheißung erst den Nachkommen der Erzeltern, dem Volk Israel, das aus Ägypten ausziehen wird. Das Motiv wird dadurch ausgestaltet, dass viele Einzelerzählungen die Gefährdung des Segens thematisieren. So werden Sara und Rebekka durch ausländische Könige bedroht. Alle drei Mütter der späteren Zentralgestalt (Sara, Rebekka, Rahel) sind zunächst unfruchtbar, die Geburt des späteren Verheißungsträgers ist also gefährdet. Jakob und Esau streiten um den Segen (Kap. 25; 27), Josef wird durch seine Brüder in seiner Existenz bedroht (Kap. 37). Im Hintergrund steht die Überzeugung, dass Gottes Segen sich gegen allen Anschein durchsetzt. Dies ist wohl auch für das Motiv verantwortlich, dass der eigentlich nicht erbberechtigte Sohn Träger der Verheißung wird, so bei Isaak, Jakob und Josef. In den Erzählungen wird auch ein ätiologisches Interesse deutlich, wenn etwa die Unfruchtbarkeit des Gebietes des südlichen Toten Meeres mit Gottes Schwefelregen (19,24) und die bis heute dort sichtbaren Salzsäulen mit dem Ungehorsam von Lots Frau erklärt werden (19,26). Die Erzählinteressen späterer Zeiten verraten sich in der Verächtlichmachung von Israels Nachbarn Moab und Ammon durch die Erzählung vom Inzest der Töchter Lots (19,30-38). Zur besonderen Problematik der Bundesvorstellung vgl. das Themenkapitel „Bund“.

Isaakgeschichte

25,19-28 Geburt Jakobs und Esaus, gedeutet als Völkerkampf bereits im Mutterleib
     29-34 Verkauf des Erstgeburtsrechts Esaus für ein Linsengericht
26,1-35 Isaak und Abimelech: Gefährdung der Ahnfrau III, Brunnenstreit
35,27-29 Tod Isaaks

Über Isaak ist kein eigentlicher Sagenkreis erhalten; er wird als Sohn im Rahmen der Abrahamserzählungen und als Vater im Rahmen des Jakob-Esau-Kreises erwähnt. Wegen der Toledot-Formel in 25,19 soll hier dennoch von einer Isaak-Geschichte gesprochen werden. Als eigenständige Isaak-Erzählung kann aber nur Kap. 26 gelten, das ihn mit Abimelech, dem König von Gerar (südöstlich von Gaza) verbindet.

Jakob-Esau-Geschichte

27,1-45 Jakob erlangt durch List den Segen Isaaks ; Vorbereitung der Flucht nach Haran
27,46-28,5 Verbot der Ehe mit Kanaanäerinnen ; zweites Motiv zur Reise nach Haran
28,6-9 Esaus Frauen
  10-22 Jakobs Traum in Bet-El, Land- und Nachkommensverheißung
29,1-30 Jakob bei Laban, Dienst um Lea und Rahel
29,31-30,24 Jakobs Kinder. Von Lea: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon und Dina, von Bilha: Dan, Naftali, von Silpa: Gad, Ascher, von Rahel: Josef (+ Benjamin: 35,6
30,25-43 Jakobs Wohlstand (als Auswirkung des Segens)
31,1-54 Jakobs Trennung von Laban, Rahels Diebstahl
32,1-33 Jakobs Rückkehr nach Israel. Kampf am Jabbok, Umbenennung in Israel
33,1-20 Aussöhnung zwischen Jakob und Esau, Altarbau in Sichem
34,1-31 Blutbad in Sichem zum Rächen der entehrten Dina
35,1-15 Jakobs Zug nach Bet-El
   16-26 Geburt Benjamins und Tod Rahels, Beerdigung in Efrata/Bethlehem, Jakobs Söhne
36,1-43 Die Nachkommen Esaus : Edomiterkönige

Die Jakob-Esau-Geschichten sind sehr viel stärker durchkomponiert als die Abrahamserzählungen. Es geht um die unterschiedlichen Dimensionen des Konflikts zwischen Jakob und Esau. Dazwischen steht in den Kapiteln 29-31 der Erzählkreis um Jakob und Laban. Zentrales Thema ist der Segen, seine Erlangung (27; 28; 32) und seine Auswirkungen (29-31). Dabei wirkt die fast magisch zu nennende Vorstellung des nur einmal zu erteilenden Segens in Kap. 27 heute besonders fremd. Erneut begegnen ätiologische Erzählungen, in denen bestimmte Dinge oder Namen (Etymologie) begründt werden, vgl. die Benennung von Bet-El in 28,19, die Erklärung der Stammesnamen in Kap. 30 oder bereits früher die Deutung des „Kainsmals“ in 4,15.

Josefsgeschichte

37,1-36 Josef und seine Brüder, Josefs Träume, Verkauf nach Ägypten
39,1-19 Josef bei Potifar, Verführungsversuch von Potifars Frau, Inhaftierung
39,20-40,23 Josef im Gefängnis, Träume des Bäckers und des Mundschenks
41,1-57 Deutung der Träume des Pharaos : 7 fette und 7 magere Jahre, Einsetzung Josefs zum Bevollmächtigten des Pharaos
42,1-38 Hungersnot in Kanaan, Reise der Brüder Josefs (ohne Benjamin) nach Ägypten
43,1-45,28 Zweite Reise nach Ägypten, mit Benjamin. Josef gibt sich zu erkennen
46,1-47,12 Jakob reist nach Ägypten
47,13-26 Josef als Verwalter Ägyptens
    27-31 Jakobs letzter Wille : Beerdigung in Machpela
48,1-22 Jakob segnet Efraim und Manasse
49,1-28 Jakobs Segen (Stammessprüche )
49,29-50,14 Jakobs Tod und Überführung nach Kanaan
50,15-26 Aussöhnung der Brüder und Tod Josefs

Die Josefsgeschichte ist jünger und, anders als die bisherigen Texte, eine in sich geschlossene Einheit (Novelle), die durch die Juda-Tamar-Geschichte in Kap. 38 unterbrochen wird. Daher wird die Josefsnovelle meist nicht zu den eigentlichen Vätergeschichten gezählt. Auch die Stammessprüche in Kap. 49 sind wohl nachträglich eingefügt worden. Inhaltlich soll die Josefsnovelle zum Schauplatz des Buches Exodus überleiten, nach Ägypten. Leitlinie ist, dass hinter der erzählten, sichtbaren Geschichte die unsichtbare Führung Gottes zum Guten steht. Die Josefsgeschichte ist zudem eine weisheitliche Lehrerzählung. Sie berichtet, wie sich ein paradigmatischer Weiser verhält, und wie ihm durch seine Weisheit und durch Beachtung weisheitlicher Grundsätze Gutes widerfährt. Es gibt sehr enge Parallelen zu den Erzählungen in Dan 1-5, besonders bei dem Motiv des Traumdeutens. Der (israelitische) Weise vermag die Träume zu deuten, während die einheimischen Experten versagen. Dennoch wird Ägypten meist positiv dargestellt, was typisch für Literatur ist, die das Leben in der Diaspora behandelt. Nur gelegentlich wird die Differenz markiert, vgl. 43,32: „Denn die Ägypter dürfen nicht mit den Hebräern essen; für Ägypten ist dies ein Gräuel.“

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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